16 Mai 2023

16.05.2023: Klimakrise-Gedanken-Wandern

Es ist Montag. Ich bin bereits seit ein paar Stunden mit dem Zug unterwegs gewesen und stehe jetzt auf einer Fähre im Kurort Rathen, die meinen Wanderkollegen und mich auf die andere Seite des Flusses bringt. Dort wartet die Sächsische Schweiz auf uns, um von uns wandernd entdeckt zu werden. Vielmehr von mir, denn mein Wanderkollege ist hier schon öfters gewandert, kennt die Sächsische Schweiz also schon, für mich ist sie ganz neu.

Ich bin direkt verliebt in die Landschaft und bin ganz froh, dass ich sie noch durchwandern kann, bevor der Klimawandel richtig zuschlägt, und die Gegend nicht mehr so schön grün ist, wie sie es jetzt noch ist. Jetzt die Zeit noch nutzen für Wanderungen, bevor es zu spät ist, bevor Natur zum Mangel wird. Und das wird sie, wenn wir als Gesellschaft nicht endlich ins Handeln kommen. Das wird sie, wenn Parteien Wahlen gewinnen, die mit dem Auto Wahlkampf führen und Parteien Wahlen verlieren, die den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Politik stellen.

Wir wandern los, müssen kurz nach dem richtigen Weg suchen, der uns den Einstieg in die grüne Welt der Sächsischen Schweiz ermöglicht. Es geht Bergauf, die Luft tut gut, ist ganz anders als die Luft in der Stadt. Es sind nur wenige Autos unterwegs und während der Wanderung kann ich sogar für eine ganze Weile die Autos komplett vergessen, weil sie nicht zu hören und auch nicht zu sehen sind. Zu sehen ist ein Fluss, zu sehen sind grüne Bäume, grüne Wiesen und viele Blumen. Zu sehen sind aber auch viele umgestürzte Bäume, Bäume, die uns den Weg versperren, wenn es nicht vorher schon Schilder gemacht haben, die auf die Lebensgefahr hinweisen, die durch den Klimawandel entstanden ist, weil Bäume absterben, keinen Halt mehr haben, umfallen.

In Berlin versuchen die Klimaaktivist*Innen der Letzten Generation auf die Dringlichkeit des Themas hinzuweisen. Sie wollen die Stadt stilllegen, den Alltag unterbrechen, möchten, dass die Politik sich an Verträge hält, die sie selbst geschlossen und ratifiziert hat. Sie möchten eine lebenswerte Welt erhalten, in der auch kommende Generationen noch Lebensgrundlagen vorfinden, die ein gutes und lebenswertes Leben ermöglichen. Eigentlich ein Ziel, dass wir als Gesellschaft mit Priorität verfolgen sollten. Uns sollte egal sein, wenn für den klimagerechten Umbau der Stadt Parkflächen verloren gehen, keine Partei sollte mit der Angst vor dem Verlust von Parkplätzen Wahlen gewinnen! Wir sollten einsehen, dass wir uns die vielen Autos einfach nicht mehr leisten können, wenn wir als Menschheit eine Zukunft haben möchten. Es sollte uns bewusst werden, dass wir nicht so weitermachen können, wenn wir auch in 50 Jahren noch einen lebenswerten Planeten haben möchten.

Die Wanderung führt durch Täler, neben uns der Fluss, der uns eine ganze Zeit begleitet. Dann geht es richtig ins Sandsteingebirge. Viele Treppen hoch und auch wieder viele Treppen runter. Ich könnte schwören, dass es sogar viel mehr Treppen nach unten als nach oben sind. Es ist wirklich schön, es ist erholsam, es bringt Frieden mit sich. Aber es sind auch immer wieder die Schäden zu sehen, die der Klimawandel jetzt schon anrichtet. Schäden durch Trockenheit und Hitze.

Frieden hatte ich in Berlin nicht, als ich dazu aufforderte, sich auch Gedanken über die Sachzwänge derer zu machen, die durch die Letzte Generation aus ihrem Alltag gerissen werden. Auf gar keinen Fall wollte ich damit die Gewalt gegen Aktivist*Innen der Letzten Generation legitimieren, ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Wut, die sich da auf die Aktivist*Innen der Letzten Generation projiziert, auch gewisse Ursprünge hat. Dabei ging es mir auch gar nicht darum, die Schuld für die Gewaltausbrüche bei der Letzten Generation zu suchen. Sie liegt in systemischen Zwängen, die der Kapitalismus mit sich bringt und die Klimaaktivist*Innen sind halt genau die Projektionsfläche, die bei anderen Gründen im Stau zu stehen und Zeit zu verlieren meist fehlt. Sie sind da, sie unterbrechen den Alltag, sie zwingen Menschen für diesen Augenblick ihren Willen auf, üben somit auch eine Form von Gewalt aus, auch wenn es keine körperliche ist und bringen dadurch manch einen Kessel – ja, ich meine damit Menschen, die im Stau stehen – zum platzen!

Ich halte die Aktionen der Letzten Generation für legitim, sie gehören zu einer demokratischen Gesellschaft und könnten gesellschaftliche Debatten ins Laufen bringen. Dazu müssen sie es aber schaffen, Kämpfe zu verbinden, Gräben zu überbrücken, eine gemeinsame Basis zu finden, damit die Wut sich nicht auf die Klimaaktivist*Innen projiziert. Dazu müssen wir aber erkennen, dass die Freiheit auch in Deutschland ungerecht verteilt ist. Rahel Süss sagt dazu:

Ein formaler Einbezug aller Stimmen in einen deliberativen Prozess garantiert noch keine gleiche Freiheit, da sie die strukturelle Voreingenommenheit in Debatten zugunsten wohlhabender und gut vernetzter Eliten ignoriert. Indem wir – gemäß der liberalen Tradition – soziale Konflikte vor allem als Meinungskonflikte und nicht als Konflikte um Ressourcen und Macht verstehen, gerät die Fähigkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten aus dem Blick, das gemeinsame Interesse für ihre partikularen Interessen zu mobilisieren.

Quelle: https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/radikale-demokratie-fuer-das-klima/

Vielen, die da im Stau stehen, ist nämlich durchaus bewusst, dass ihr Verhalten für das Klima von Morgen nicht gut ist, sie leben aber in einem Gesellschaftssystem, wo sie sich ein anderes Verhalten halt meist nicht leisten können, weil sie eben auf ihre Arbeit angewiesen sind, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Diese Menschen können nicht frei entscheiden, sie entscheiden auf Grundlage der Sachzwänge, weil sie Rechnungen bezahlen müssen, weil sie Lebensmittel und Kleidung brauchen, weil sie Geld für die Erziehung ihrer Kinder benötigen.

Und genau diese Unfreiheit ist es, die ich gerne mitgedacht sehen würde, wenn die Letzte Generation sich wieder auf die Straße klebt. Wenn das nämlich mitgedacht wird, wenn die Aktivist*Innen darüber mit den Menschen ins Gespräch kommen, sie zeigen können, dass dieser Kampf auch geführt wird, um die Situation dieser Menschen zu verbessern, die Ungleichheit bei den Freiheiten abzubauen und sich dadurch auch für diese Menschen eine bessere Zukunft auftut, dann könnte sie damit einen gemeinsamen Kampf ermöglichen.

Hans Rackwitz drückt es so aus:

Die Tatsache, dass wir gezwungen sind, unsere alltägliche soziale Reproduktion mangels Alternativen auf Kosten der Umwelt abzusichern, gilt es zu politisieren.

Quelle: „Die Zeichen stehen auf Sturm“ – Luxemburg Magazin, Seite 60 und 61.

Genau darum geht es! Eine gemeinsame Basis aufzustellen, gesellschaftliche Kämpfe zu verknüpfen, eine breite Basis aufzustellen, um dann von der Politik die Alternativen einzufordern, die es braucht, damit wir die Grundlagen für eine lebenswerte Zukunft schaffen können. Es bringt den Klimaaktivist*Innen überhaupt nichts, die Wut der Autofahrer*Innen auf sich zu bündeln. Es bringt nichts, wenn dann nur über die Protestform gesprochen wird, nicht aber über die Themen, derentwegen es diesen Protest überhaupt gibt. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir das Gegenüber nur noch als Feind*In sehen, weswegen wir nicht bereit sind, Debatten zu führen, sondern nur noch auf unsere Standpunkte bestehen. Wenn wir nicht bereit sind, über uns und unsere eigenen Aktionen zu reflektieren, wo soll dann die Bereitschaft des Gegenübers herkommen, genau dies zu tun?

Thomas Lux hat hier zum Stichpunkt Polarisierung etwas Spannendes gesagt:

Drittens ist die Gegnerschaft affektiv aufgeladen, bis zu Hassgefühlen. Das führt zu Kompromisslosigkeit. Man ist nicht zu Zugeständnissen bereit, weil auf der anderen Seite kein*e Gegner*in, sondern ein*e Feind*in steht …

Quelle: GOOD IMPACT 01/2023 Interview „Im Moment“ mit Klaus Kraemer und Thomas Lux

Nur, wie wollen wir den Klimawandel bekämpfen, wenn wir uns als Feinde sehen? Wenn wir nicht miteinander sprechen können, weil wir die Sachzwänge der anderen einfach abtun, weil diese nichts mit unserer eigenen Lebensrealität zu tun haben? Wie möchten wir Mehrheiten für den Klimaschutz gewinnen, wenn wir nicht auch die Ängste und Nöte der anderen miteinbeziehen und hier Lösungen erarbeiten, die eben genau diese Berücksichtigen, die aufzeigen, dass diese Ängste nicht sein müssen, weil die Gesellschaft, die Klimaschutz umsetzt, eine andere sein wird. Eine Gesellschaft, in der es dann auch nicht diese Nöte und Sachzwänge gibt, die derzeit dazu führen, dass sich Menschen die Freiheit, für Klimaschutz zu sein, einfach nicht leisten können?

Dieses Feindbild habe ich in der Diskussion im Fediverse gut ausgefüllt, weil ich nicht einfach bedingungslos hinter den Aktionen der Letzten Generation stand, weil ich mir erlaubt habe, auch die andere Seite verstehen zu wollen. Dass ich nicht nur die Gewalt des Autofahrers sehen, sondern ich auch die Sachzwänge dahinter thematisieren wollte. Natürlich ist es einfacher, die Menschen dann einfach als Gewalttäter*Innen und Psychopath*Innen hinzustellen, aber wenn wir die Lebensgrundlagen der Menschen wirklich retten wollen, brauchen wir breite Bündnisse, die den Klimawandel angehen, die den Umbau der Städte mittragen, ebenso wie den Umbau der Gesellschaft und der Wirtschaft. Wenn wir das wollen, dann können wir nicht den einfachen Weg wählen, dann müssen wir uns Gedanken machen, dann müssen wir den Mensch hinter der Gewalt und dessen Ängste und Sorgen sehen.

Kurz vor dem Ende der Wanderung gönne ich mir noch ein Softeis. Ob das für künftige Generationen auch noch möglich ist, darüber wird die Gegenwart entscheiden. Wir alle, auch dadurch, ob wir in den Menschen, die eine andere Meinung haben, nur Feinde sehen oder Menschen, die wir mitnehmen müssen, indem wir diese ernst nehmen.

13 Januar 2023

13.01.2023: Auch friedlicher Protest kann eine Form von Gewalt sein!

Radfahren in Berlin

„Jede Tugend neigt zur Dummheit, jede Dummheit zur Tugend.“

Friedrich Nietzsche

Ich hatte gestern wieder viel zu viel Zeit, über Dinge nachzudenken. Um genau zu sein, habe ich über die Klebeaktionen der letzten Generation nachgedacht – mal wieder – und bin mal wieder zu dem Entschluss gekommen, dass ich mit der Aktionsform nicht viel anfangen kann. Dennoch ist es natürlich eine legitime Aktionsform, um demokratische Prozesse anzustoßen. Es ist nicht antidemokratisch, wie einige Politiker*Innen es gerne betonen, es ist aber auch kein gewaltfreier Protest, wie es die letzte Generation gerne behauptet.

Klar, die Aktivist*Innen setzen keine körperliche Gewalt ein! Sie setzen sich friedlich auf die Straße und warten dann dort, bis die Polizei sie wieder von eben dieser Straße entfernt. Aber dennoch ist es eine Form von Gewalt und deswegen sollte es auch nicht verwundern, wenn die Menschen, die in ihrem Leben gestört werden, auf diese Form der Gewalt auch eine Reaktion zeigen. Die Aktivist*Innen verhindern, dass die Menschen (die Aktivist*Innen sind auch Menschen), die sie blockieren, ihrem normalen Tagesablauf nachgehen können, sie verhindern das Einhalten von Terminen und wollen genau das auch. Sie wollen den Alltag der Menschen stoppen, wollen darauf hinweisen, dass dieser Alltag die Zukunft der nächsten Generationen verbaut und ja, es ist ein legitimes Anliegen!

Sie verhindern mit diesen Aktionen aber auch, dass Menschen in prekären Lebenslagen ihren Lebensunterhalt verdienen können. Sie entscheiden, dass es für diese Menschen in diesem Moment nicht so wichtig sein kann, das Geld für die Rechnungen zu verdienen, die diese bezahlen müssen. Das ist Gewalt, die weiter geht, als der reine Eingriff in die Zeitautonomie. Es ist Gewalt, die Menschen in der Nacht schlecht schlafen lässt, weil sie überlegen müssen, wo sie das Geld, welches sie durch die verlorenen zwei Stunden Zeit nicht einnehmen konnten, einsparen können, um die wichtigen Rechnungen zahlen zu können, das Mittagsessen für die Kinder zum Beispiel, oder das Geld für den Schulausflug der Kinder.

Diese Sorgen werden umso größer, desto öfter die Menschen in eine solche Aktion geraten. In einer Stadt wie Berlin ist es nicht unwahrscheinlich, dass drei, viermal in einem Monat zu erleben. Dann wäre es fast ein ganzer Arbeitstag, der wegfällt, der nicht einfach nachgeholt werden kann. Und wenn das passiert, dann ist es durchaus nachvollziehbar, wenn dann ein Fahrer von Uber zum Beispiel – weil das in einem Video zu sehen war, welches veröffentlicht wurde – durchdreht, und einfach durchfährt durch die Menschensperre. Nein, das ist keine Entschuldigung. Die Tat gehört natürlich bestraft, aber hier müssen Aktivist*Innen halt einfach reflektieren, dass auch ihre Aktionsform eine Form von Gewalt ist, dass sie hier nicht nur Menschen blockieren, die dadurch ein wenig Zeit verlieren, sondern eben auch Menschen, die keine Reserven haben, die jede Stunde Arbeitszeit brauchen, um sich ihr Leben finanzieren zu können. Die jeden Cent brauchen, um Miete, Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen zu können und dass diese Menschen durch diese Aktionsform härter getroffen werden als Menschen, die dann Abends halt einfach zwei Stunden länger im Büro bleiben und dadurch keinen Verdienstausfall erleiden.

Und weil das noch nicht genug ist, gingen meine Gedanken natürlich auch weiter. Sie gingen hinüber zu den mobilen Altenpfleger*Innen, die ebenfalls in diesem Stau feststecken können und die dann ihrerseits nicht zu den alten Menschen kommen. Hier wird dann nicht nur die Zeitautonomie der Altenpfleger*Innen eingeschränkt, sondern auch die Autonomie der älteren Menschen, die vielleicht ohne Hilfe nicht in ihren Tag starten können. Die vielleicht nicht auf die Toilette können, weil sie dazu der Pfleger*Innen brauchen, die sie aus dem Bett holen, um sie dann ins Bad zu bringen. Auch das ist Gewalt, die wahrscheinlich gar nicht wirklich mit eingerechnet ist, die aber eben auch passiert, wenn ich den Alltag der Menschen unterbrechen möchte! Neben den Altenpfleger*Innen gibt es ja auch noch mobile Krankenpfleger*Innen und andere Menschen, die mit ihren Dienstleistungen älteren Menschen helfen. Also schon ganz simpel, die Menschen, die Körperpflege für Nägel und Füße anbieten, Friseur*Innen und viele andere, die älteren Menschen Dinge ermöglichen, die diese sonst nicht mehr in Anspruch nehmen könnten.

Klar, auch ein normaler Stau kann diese Zeitplanung durcheinander bringen, auch ein normaler Stau unterbricht den Alltag der Menschen, aber wenn du dann zum fünften Mal im Monat durch die Aktionen von Aktivist*Innen in deinem Leben eingeschränkt wirst, dann ist es durchaus nachvollziehbar, wenn dann mal ein Ventil platzt, es zu viel Druck ist, der da aufgebaut wurde und der sich dann in Kurzschlussreaktionen äußert. Soweit sollten die Aktivist*Innen ihre Aktion dann durchaus reflektieren und nicht ungläubig darüber den Kopf schütteln, wenn dann solch eine Situation eskaliert!

Ja, es geht um die Zukunft der Menschheit! Ja, es braucht radikale Aktionen, um dafür die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen! Aber es braucht eben auch genügend Reflexion der eigenen Aktionen, um zu erkennen, dass es nicht nur um die kurze Unterbrechung geht, die die eigentliche Aktion auslöst, sondern es für einige noch weitere Folgen in der näheren Zukunft nach sich zieht.

2 Januar 2023

02.01.2023: Böllerverbot

Böllerverbot! Ich mag das Wort schon nicht mehr lesen! Nicht, weil ich unbedingt Feuerwerk zu Silvester brauche, sondern eher, weil diese Debatte schon wieder so geführt wird, dass sich die eine Seite der anderen Seite überlegen fühlt. Dabei gibt es gute Argumente dafür, mit dem Feuerwerk zu Silvester in seiner jetzigen Form aufzuhören, dazu muss es aber eine gesellschaftliche Debatte geben. In diese kommen wir aber nicht, wenn wir einfach etwas verbieten wollen, weil es uns persönlich nicht gefällt. Es wird auch nicht gelingen, den anderen Egoismus vorzuwerfen, wenn es unser eigener Egoismus ist, der nach einem Böllerverbot schreit.

Ich selbst kaufe mir kein Feuerwerk, ich brauche es nicht, mir wäre das Geld dafür viel zu schade. Dennoch kann ich nicht bestreiten, dass es auch auf mich eine gewisse Faszination ausübt, wenn der Himmel bunt leuchtet, wenn dort rote, gelbe, weiße Sterne vom Himmel fallen. Dass der Lärm und der Feinstaub, der dabei entsteht, weder für uns noch für die Tierwelt gut ist, darüber brauchen wir gar nicht zu streiten. Auch nicht darüber, dass das Abbrennen von Feuerwerk gefährlich ist und einige es sogar als Waffe gegen andere Menschen oder Tiere einsetzen. Wir müssen aber darüber streiten, wie wir eine Veränderung des Ist-Zustandes einläuten möchten!

Wir könnten ja einfach mal miteinander ins Gespräch kommen, Verständnis für die Faszination Feuerwerk zeigen, auch wenn wir sie selbst vielleicht nicht verspüren und dann darüber reden, ob sich diese Tradition nicht verändern lässt. Angebote machen, Alternativen aufzeigen. Klar, damit sind nicht alle zu überzeugen, aber vielleicht bildet sich daraus ein Konsens, der für beide Seiten einen gangbaren Weg liefert. Das kostet Zeit, die Veränderung ist nicht von jetzt auf gleich zu erreichen, aber die Lösung, die gefunden wird, ist sehr viel nachhaltiger als ein Verbot, weil alle diese Lösung tragen können, weil es dann keine Verlierer*Innen gibt, sondern beide Seiten etwas gewinnen.

Ein Verbot ist natürlich sehr viel bequemer. Es erspart das Nachdenken über Alternativen und es spart natürlich auch eine Menge Zeit. Es verhindert aber zugleich auch den Ausgleich, lässt Menschen zurück, verstärkt das Bilden von Gruppen, die sich von der Demokratie abwenden. Ein Verbot, welches nicht aus einem Konsens entsteht, bringt neben Gewinner*Innen auch Verlierer*Innen mit sich. Verlierer*Innen, die sich radikalisieren, die sich von der Demokratie nicht gesehen fühlen! Es bringt neuen Hass, neue Abgrenzungen, neuen Wut.

Klar, die letzten Jahre haben gezeigt, dass das mit der Eigenverantwortung irgendwie schwierig ist. Genauso haben die letzten Jahre aber auch gezeigt, dass wir als Gesellschaft eine riesige Bildungslücke im Bereich Demokratiebildung haben. Wir rufen nach autoritären Lösungen, weil wir nicht fähig sind, in eine Debatte zu gehen, um gesellschaftliche Konsens-Lösungen zu finden. Ein Mehrheitsentscheid ist übrigens kein Konsens! Kurzfristig mag es manchmal nötig sein, dass es schnelle autoritäre Entscheidungen gibt, um zum Beispiel bestimmte Bevölkerungsgruppen schnell zu schützen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Entscheidungen nicht später durch einen gesellschaftlichen Konsens ersetzt werden können, sobald diese Debatte geführt wurde.

Dazu müssen wir aber lernen, anderen Menschen zuzuhören. Wir müssen lernen, andere Menschen auch wirklich verstehen zu wollen und nicht einfach deren Argumente wegwischen, weil sie nicht zu unserer Meinung und Überzeugung passen. Hinhören, miteinander reden, offen sein und bereit sein, am Ende einen Konsens zu finden. Das können wir als Gesellschaft nicht! Es verwundert mich aber auch nicht, treffen doch eigentlich immer andere die wichtigen Entscheidungen. Lehrer*Innen und Eltern in der Kindheit, die Vorgesetzten im Arbeitsleben und die Politiker*Innen in gesellschaftlich wichtigen Fragen. Unsere Entscheidungen betreffen meist nur uns selbst, manchmal unsere Familien und ab und an auch Freunde und Bekannte.

Davon müssen wir weg, müssen dazu aber auch unsere eigene Art in einer Diskussion reflektieren, auch wenn wir sie schon häufiger geführt haben und wir eigentlich nur noch genervt sind.

Vielleicht gibt es irgendwann zu Silvester kein Feuerwerk mehr in der Form, wie wir es heute kennen. Im Idealfall deswegen, weil wir ins Gespräch gekommen sind und einen gemeinsamen Weg gefunden haben, der für alle einen Ausgleich bringt. Im schlimmsten Fall wieder mit Menschen, die sich von der Demokratie abwenden, weil sie sich als Verlierer*Innen fühlen.

16 Dezember 2022

16.12.2022: Alltagsprobleme

Baumstamm auf dem Weg

„Was schaut der Typ mich mit seinen zwei Augen eigentlich so an? Der will mich doch bestimmt fressen! Da werde ich mich mal schnell in Stellung bringen und ihn anständig anstarren, damit er mich nicht überrascht mit seinem Angriff“, dachte sich wahrscheinlich die Spinne, die es sich an der Kellerdecke direkt hinter der Kellertür gemütlich gemacht hat.

Ja, ich habe Angst vor Spinnen und ich kann nicht an einer Spinne vorbeigehen, die auf Kopfhöhe an der Kellerdecke hängt. Wäre die Decke so hoch, wie sie es auch in den Wohnungen ist, wäre es kein Problem, ist sie aber nicht, ich muss mich dort leicht bücken, um mir nicht den Kopf zu stoßen. Und da hat es sich die Spinne gemütlich gemacht.

Der Spinne kann ich das nicht übel nehmen, die sitzt dort, weil es wärmer ist als draußen und wahrscheinlich auch deswegen, weil sie dort noch mehr Nahrung findet, als derzeit in der tiefgefrorenen Umgebung. Auch will ich ihr nichts Böses tun, will ihr keinen Stress machen, weil sie kann ja nichts dafür, dass ich Angst vor Spinnen habe. Problem ist aber, dass ich so nicht an meinem Stromzähler komme, den ich ablesen müsste, weil heute Nacht mein Stromanbieter wechselt und drei Parteien wissen möchten, wie der aktuelle Stromzählerstand ist. Mein alter Anbieter, mein neuer Anbieter und auch der Netzbetreiber würde es gerne wissen. Aber ich komme nicht hin, ich kann nicht an der Spinne vorbei! Die Spinne weiß das wahrscheinlich nicht, die will nur, dass ich sie in Ruhe lasse, die will nur die Wärme genießen und nicht im freien Erfrieren.

Ich halte den Keller eh für den schlechtesten Ort für einen Stromzähler, zumindest dann, wenn die Decken so niedrig sind, wie sie in unserem Keller sind. Ich schaffe es schon nicht, mein Kellerabteil zu entrümpeln, eben wegen der Spinnen. Stromzähler muss ich ja zum Glück nicht sooft ablesen und bisher ging es irgendwie immer, weil keine Spinne am Eingang saß. Aber okay, jetzt war sie da!

„Was schaut mich diese Spinne mit ihren vielen kleinen Äuglein eigentlich so an? Die will mich doch bestimmt fressen! Da werde ich doch mal lieber die Kellertür wieder schließen und heulen, weil ich nicht an den Stromzähler komme!“, waren meine Gedanken und jetzt ist der Stromzähler unerreichbar für mich!

7 November 2022

07.11.2022: Auf den Straßen kleben – Klimaprotest

Radfahren in Berlin

Ich schreibe ja immer etwas verspätet über Themen, die gerade die Gesellschaft so beschäftigen. Ich muss die meist erst einmal sacken lassen, muss die verschiedenen Eindrücke auf mich einwirken lassen und irgendwann kommt dann der Impuls, dass ich etwas schreiben muss. So auch bei den Klimaaktivisten, die jetzt dafür verantwortlich gemacht werden sollten, dass die Hilfe für eine Person verspätet kam, weil sie durch ihre Aktion einen Stau verursacht haben. Die Klimaaktivist*Innen selbst schreiben, dass damit eine Grenze überschritten ist*, und weißen darauf hin, wer eigentlich die Schuld trägt und warum nicht die Klimaaktivist*Innen selbst. Ich glaube, dieser Artikel war diesmal der Impuls, warum ich auch etwas dazu schreiben muss.

Der Einstieg in diesen Text wird jetzt ziemlich holprig, denn natürlich tragen die Klimaaktivist*Innen mit ihrer Aktion auch eine Verantwortung dafür, wenn Rettungskräfte nicht ganz so schnell beim Einsatzort sind, wie sie es eigentlich sein könnten. Sie sind ja der Auslöser für den Stau und sie wissen ganz genau, dass es da genügend Autofahrer*Innen gibt, die nicht gewillt sind, eine Rettungsgasse zu bilden. Sie wissen das, tragen aber auf gar keinen Fall die Verantwortung dafür, dass sich die Autofahrer*Innen nicht an die Regeln halten! Dennoch tragen natürlich auch die Aktivist*Innen eine Verantwortung und eine Mitschuld, wenn dann an anderer Stelle Menschenleben nicht gerettet werden können. Hier sollten es sich die Aktivist*Innen nicht zu einfach machen, wenn sie dann auf das Versagen und die Verantwortung der anderen Verkehrsteilnehmer hinweisen!

Aber kommen wir nicht alle einmal in solche Situationen? Ich meine, ein Rettungseinsatz ist nicht vorhersehbar und wenn wir der Logik der Presse folgen, dann wäre Protest eigentlich gar nicht mehr möglich. Eine Demo, für die mehrere Straßen gesperrt sind, sorgt auch dafür, dass die Rettungskräfte im Notfall Umwege fahren müssen. Ein Marathon, der mitten in der Stadt stattfindet, ebenso. Der Radfahrer, der bei Grün unbedingt die Kreuzung überqueren muss, obwohl er den Rettungswagen mit Blaulicht hört und sieht, kann auch dafür sorgen, dass der Rettungswagen die Minute verliert, die über Leben und Tod entscheidet. Es gebe da so viele Dinge, wo Menschen ebenso wissen, dass das Risiko besteht, dass die Rettungskräfte im Notfall eben die entscheidenden Minuten verlieren. Werden aber die Veranstalter*Innen von Sportveranstaltungen verteufelt? Ich meine, diese tragen genau dieselbe Verantwortung wie die Klimaaktivist*Innen, wenn am Ende des Tages der Rettungswagen nicht pünktlich am Einsatzort ist. Oder Baustellen, Straßensperrungen, falsch parkende Autos? Die zugestellte Feuerwehrzufahrt? Defekte Wasserleitungen?

Ich weiß gar nicht, was ich da noch alles aufzählen könnte, und dabei habe ich die Klimaveränderung noch gar nicht erwähnt, also die Krise, gegen die die Aktivist*Innen kämpfen. Tragen wir nicht alle die Verantwortung für die Menschen, die in der Zukunft an den Folgen der Klimaveränderung sterben werden? Warum wird das nicht durch die Presse thematisiert und skandalisiert? Sind diese Menschenleben nicht greifbar, weil sie in der Zukunft liegen? Weil es vielleicht Menschen betrifft, die heute noch gar nicht geboren sind oder deren Sterben wir gar nicht mitbekommen, weil wir schon vorher gestorben sind?

Es klappt nicht, hier den moralischen Zeigefinger auf die Klimaaktivist*Innen zu richten, wenn wir als Gesellschaft nicht in der Lage sind, die Krise, die von den Klimaaktivist*Innen in den Brennpunkt geholt wird, zu bekämpfen. Vielmehr soll es eine Ablenkung davon sein, dass wir selbst unserem moralischen Kompass nicht gerecht werden, dass wir selbst täglich Entscheidungen treffen, die Menschenleben gefährden. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht nicht in der näheren Umgebung, aber doch irgendwann und/oder irgendwo.

Ob die Protestform am Ende etwas verändert, das ist eine andere Frage. Die ist aber nicht hier und auch nicht jetzt zu beantworten, weil dies nur rückblickend geschehen kann. Vielleicht deutet aber der permanente Versuch, diese Protestform zu kriminalisieren und die Aktivist*Innen ins schlechte Bild zu rücken, auf die Möglichkeit hin, dass diese Protestform erfolgreich sein könnte. Vielleicht ist das negative Framing, welches die Klimaaktivist*Innen über sich ergehen lassen müssen, ja genau der Hinweis darauf, dass die Politiker*Innen Angst davor bekommen, dass sich in der Gesellschaft doch etwas verschieben könnte.

*Update 24.05.2023: In diesem Artikel war bisher der Blogbeitrag verlinkt, auf den er sich bezieht. Da die Domain und die Webseite der Letzten Generation derzeit aber durch staatliche Behörden gesperrt, bzw. übernommen ist, habe ich den Link vorerst entfernt.

29 Oktober 2022

29.10.2022: Armut und Teilhabe – Gut gemeint, schlecht formuliert …

Hach, es gibt so vieles in der Welt, über das ich jetzt schreiben könnte, weil es mich aufregt, aber ich möchte jetzt auf was ganz Banales eingehen. Ich möchte es deswegen ansprechen, weil es meist gar nicht böse gemeint ist, weil der Blickpunkt ein anderer ist, weil es aber wahrscheinlich zu Missverständnissen führt, die vermieden werden könnten. Als Beispiel nehme ich etwas von Riff Reporter. Erstens weiß ich, dass die das richtig einordnen können und zweitens weiß ich, dass die Menschen dort mit Kritik umgehen und auch darüber reflektieren können. Es geht um Sprache und um Armut.

RiffReporter bietet auf seiner Webseite ein flexibles Abo an. Menschen, die nicht soviel haben, zahlen weniger und andere, die es können, dann eben mehr. Finde ich super, weil dadurch die Zugangsschwelle niedrig gehalten wird, auch wenn sie natürlich immer noch Menschen ausschließt, aber am Ende muss die Arbeit ja auch bezahlt werden, die die Menschen, die hinter RiffReporter stehen, machen. Das ist auch gar nicht das Problem, auf welches ich hinaus will, auch wenn es natürlich ein Problem ist, was aber nicht die RiffReporter lösen können oder müssen, sondern wir als Gesellschaft. Mein Problem ist die Formulierung, die vor der Auswahl des Abopreises steht:

„Mit dem Riff-Abo alle bezahlpflichtigen Artikel unbegrenzt lesen. Mit dem Schieberegler bestimmen Sie mit, wie viel Ihnen unsere Arbeit wert ist. Das Abo ist monatlich kündbar, der angezeigte Preis gilt pro Monat.“

RiffReporter

Ist mir die Arbeit nur 8,- Euro wert?

So so, mit dem Schieberegler bestimme ich also mit, wie viel mir die Arbeit wert ist? Das schreckt mich ab, denn mir ist die Arbeit von den RiffReportern mehr wert als die 8,- Euro, die ich mir gerade so leisten könnte. Aber wenn ich mit dem Abopreis, den ich wähle, eine Wertung abgebe, ich also bewerte, wie viel mir die Arbeit wert ist, dann sollte ich das mit dem Abo vielleicht doch lassen, weil diese Wertung möchte ich so nicht abgeben. Ja, so denke ich, wenn ich eine solche Formulierung lese und noch schlimmer, ich würde mich jetzt sogar schämen, mir ein Abo zum Minimal-Preis zu holen, weil ich damit ja zeigen würde, dass mir die Arbeit nicht mehr wert ist, als der Mindestpreis.

Ich bin mir sicher, dass das nicht die Absicht hinter dem Text ist, aber er vermittelt ein Schamgefühl und wenn ich das Abo abschließe, dann wissen die Menschen bei RiffReporter sogar, wer ich bin. Dabei würde ich ja eigentlich mit dem Abo gerne zum Ausdruck bringen, dass ich die Arbeit wertschätze und ich mit meinem Beitrag – der zwar das Minimum von dem ist, was möglich ist – genau diese Arbeit unterstützen möchte.

Das schreckt ab, schon weil Menschen ja etwas von sich preisgeben, wenn sie den Minimalbeitrag wählen. Sie sagen, dass sie nicht viel Einkommen haben, sie zeigen, zu welcher wirtschaftlichen Schicht sie gehören, sie machen sich damit verletzbar. Wenn dann noch so ein Text dazu kommt, der hier ein Schamgefühl auslöst, der suggeriert, dass ich mit meinem Beitrag eine Wertung über die Arbeit abgebe, ja dann wird es schwierig.

Was ich damit sagen möchte – und das gilt nicht nur für die Formulierung beim RiffReporter – passt auf bei euren Formulierungen. Es ist super, wenn ihr möglichst viele Menschen an etwas teilhaben lassen wollt, aber wenn ihr sie dann mit Formulierungen, die ein negatives Gefühl auslösen, wieder abschreckt, hat keiner einen Vorteil davon. Und ja, das gilt auch im Fediverse, wenn es zu Spendenaufrufen für die Admins kommt. Die sind richtig und wichtig, aber sie sollten so formuliert sein, dass sich Menschen, die nichts geben können, nicht ausgeschlossen fühlen.

18 Oktober 2022

18.10.2022: Webring – Kurz angemerkt

Hach, wer das Internet noch von früher kennt, der kennt auch noch den Webring. Ein kleiner Service, in welchen sich Blogger mit ihrem Blog eintragen können, dann auf ihren Blog ein paar Links setzen und so auf einen Blog im Ring vorher und auf einen Blog im Ring danach verweisen. Interessierte Menschen können dann von Blog zu Blog durch den Ring springen und dabei vielleicht auch ein paar neue Blogs entdecken.

Gut, es sollte kurz werden. Deswegen: Es gibt so einen Webring wieder, ich habe mich da angemeldet, vielleicht wollt ihr auch. Hier der Link zum Webring https://uberblogr.de/ und hier habe ich es gefunden –> https://alphathiel.de/ein-webring-sie-alle-zu-knechten/

15 Oktober 2022

15.10.2022: Mobilitätshürde

Damals, Ende 2000 und in den ersten Monaten des Jahres 2001, habe ich ein Praktikum beim Saturn hier am Alexanderplatz gemacht. Ich war damals 18, hatte mich davon verabschiedet, eine Ausbildung zum Koch machen zu wollen, wusste aber noch nicht, was ich denn dann anderes machen möchte. Es wurde dann eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel – Fachrichtung Großhandel. Aber das soll nicht das Thema sein, denn ich erinnere mich an dieses Praktikum, weil ich damals des Öfteren kein Geld hatte, um mir eine Fahrkarte zu kaufen, damit ich zu meiner Praktikumsstelle fahren konnte. Heißt, ich musste mich entscheiden, ob ich ohne Fahrschein fahre oder ob ich von meinem Wohnort aus zum Alexanderplatz laufe. Ein Fahrrad hatte ich damals nicht, diese Alternative stand mir also nicht zur Verfügung.

Mit dem ÖPNV hätte ich damals jeweils 20 Minuten hin und auch wieder zurück gebraucht, zu Fuß brauchte ich mindestens eine Stunde hin und auch wieder zurück. Es ging also um 40 Minuten Fahrzeit oder um 2 Stunden Gehzeit, zwischen denen ich mich damals immer entscheiden musste. Und so ein Praktikum habe ich ja auch nicht zum Vergnügen gemacht, sondern um den richtigen Weg für meine Zukunft zu finden.

Mir fiel das wieder ein, weil ich gestern ein wenig die Diskussion um das 49,- Euro Ticket verfolgt habe. 49,- Euro, um einen ganzen Monat mit dem ÖPNV durch ganz Deutschland zu fahren. Ich hätte mir damals auch so ein Ticket nicht leisten können, was ja auch ein Kritikpunkt in der Diskussion um dieses Ticket ist, aber es ist auf jeden Fall ein riesiger Schritt beim Thema Mobilität. Es eröffnet Möglichkeiten, die viele bisher nicht hatten. Wege, um sich eine Zukunft aufbauen zu können, die bisher versperrt waren, weil die Mobilitätshürde einfach zu hoch war.

Das gilt nicht für alle, das ist richtig und muss auch thematisiert werden, aber es gilt für einige, ist für einige Menschen also eine deutliche Verbesserung und somit ist es auch ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ein Schritt, der Ende 2021 noch undenkbar war, der jetzt innerhalb eines Jahres gegangen wurde, weswegen er nicht perfekt sein kann, weswegen er auch nicht perfekt sein muss!

Natürlich muss jetzt auch der ÖPNV ausgebaut werden, natürlich muss es noch Lösungen für Menschen geben, die sich auch dieses Ticket nicht leisten können, alles richtig. Auch richtig ist, dass das Ticket derzeit noch keine große Hilfe für Menschen ist, die auf dem Land leben, weil dort der ÖPNV nicht wirklich gut ausgebaut ist. Dafür wird es auch Konzepte geben müssen, aber das sind die nächsten Schritte, die gegangen werden müssen.

Wie schon erwähnt, ich hätte mir damals auch kein 49,- Euro Ticket leisten können, das Geld wäre einfach nicht da gewesen und da sind wir dann beim Thema Chancengleichheit. Die Ermöglichung von Mobilität ist also auch eine Verbesserung der Chancengleichheit. Deswegen ist es wichtig, dass hier auch die Mobilität für Menschen ermöglicht wird, die von Armut betroffen sind, die sich auch ein 49,- Euro Ticket nicht leisten können. Genauso wichtig ist es, dass das Ticket ohne große Hürden vergeben wird, Hürden wie zum Beispiel die Bonitätsprüfung eine ist. Damit will niemand das Ticket madig reden, es ist nur ein weiterdenken, was viele, für die sich schon jetzt eine riesige Welt an Möglichkeiten eröffnet, leider vergessen.

Ich habe mich früher übrigens meistens dazu entschieden, den Weg zu laufen. Es war zwar Winter, es war kalt, aber es war immer noch besser, als sich die 60,- DM Strafe abzuholen, die damals für das Schwarzfahren fällig waren.

25 August 2022

25.08.2022: Beim Schauen von Serien …

Erinnerungen

Na, welche Serien habt ihr früher gerne geschaut? Schaut ihr sie heute immer noch gerne?

Ich frage, weil ich immer wieder feststelle, dass ich Serien, die ich vor 20 Jahren gerne gesehen habe, heute nur noch zum Kotzen finde. FRIENDS zum Beispiel! Früher habe ich sie gerne geschaut, konnte darüber lachen, heute finde ich den Inhalt grauenvoll, brauche meist nur zwei Minuten, um mich über die Klischees und Vorurteile aufzuregen, die in der Serie verarbeitet werden, und schalte dann relativ schnell wieder weg. Eigentlich positiv, zeigt es doch, wie stark sich Menschen doch verändern, wie sich Humor und Geschmack verändert, wie sich auch die Bildung verändert.

Dann gibt es Serien, die kann ich einfach nicht mehr sehen, weil es eigentlich immer dasselbe ist und weil es bestimmte Dinge verherrlicht, die gar nicht so herrlich sind. NavyCIS ist so eine Serie. Nicht nur, dass sich hier eigentlich immer wieder alles wiederholt, es wird auch immer wieder aufgezeigt, dass die Agent*Innen halt ab und an auch Grenzen überschreiten müssen, um zum Ziel zu kommen und dass dieser Grenzüberschritt auch gar nicht so schlimm ist, weil es ja zur inneren Sicherheit beiträgt. Kurz gesagt, hier sollen Menschen darauf geprägt werden, dass es halt ab und an nicht so schlimm ist, wenn Rechte von Journalist*Innen eingeschränkt werden, wenn Bürger*Innenrechte eingeschränkt werden, weil es ja nur geschieht, um ein höheres Ziel – nämlich Gerechtigkeit – zu erreichen. Mich ekelt das häufig nur noch an, weswegen ich für viele ein Störfaktor beim Serienschauen bin.

Und es macht Klick …

Eben hatte ich dann beim Schauen einer Serie den Moment, wo meine positive Stimmung ins Negative kippte. „Last Man Standing“ heißt die Serie und es ging um einen Konflikt in der Familie. Konflikte sind ja erst einmal nichts Negatives, gehören dazu und können alle Beteiligten weiterbringen. Aber hier war ich dann jetzt doch geschockt, weil die Lösung des Konflikts einfach nur aussagte, dass die Erwachsenen schon wissen, was sie tun, Jugendliche dies noch nicht verstehen könnten und sie das als Jugendliche einsehen muss. *KLICK*

Genau ging es um Fracking. Die Mutter hat wohl einen Job bei einem Frackingunternehmen angenommen, die Tochter fand das grauenvoll und wollte, dass die Mutter den Job wieder kündigt.

Der Vater fand grauenvoll, dass die Tochter es grauenvoll fand, wie die Mutter ihr Geld verdient, wollte das die Tochter sich entschuldigt, die wollte nicht und so nahm die Geschichte ihren Lauf. So den Standard-Verlauf, wenn ich es mal so nennen darf:

Tochter zieht in den Garten ins Zelt, weil sie beweisen möchte, dass ihr ihre Ansichten und Standpunkte wichtiger sind, weswegen sie auf Energie verzichtet und was sie durchhalten möchte, bis die Mutter ihren Job gekündigt hat. Der Vater wendet billige Tricks an, um ihr zu zeigen, dass ihre Standpunkte blöd sind, die Tochter widersteht ein paar Stunden, dann kommt sie zurück ins Haus und entschuldigt sich.

Aber wofür entschuldigt sie sich eigentlich? Dafür, dass sie eigene Haltelinien hat, eigene moralische Vorstellungen, über welche sie gerne diskutieren möchte? Dafür, dass sie noch eine Jugendliche ist und sie das Handeln der Erwachsenen infrage gestellt hat?

„Mach uns keine Vorwürfe, weil wir deine Gegenwart finanzieren, indem wir deine Zukunft zerstören!“

Klar, Strom kommt nicht einfach so aus der Steckdose, er wird irgendwie erzeugt, genauso wie die Wärme zum Heizen, aber aus dieser Tatsache ergibt sich ja nicht, dass die Jugendlichen – wenn sie denn weiterhin Strom verwenden möchten – nicht hinterfragen dürfen, wo die Energie herkommt. Sie dürfen es, sie dürfen auch mit ihren Eltern darüber streiten, ob – wie in diesem Fall Fracking – sie den richtigen Job haben. Bedeutet ja nicht, dass die Mutter wirklich gleich ihren Job kündigen muss, bedeutet aber, dass es eine gesunde Diskussions- und Streitkultur geben muss in der Familie.

In meinem Kopf hätten die sich also an einen Tisch gesetzt, die Tochter hätte ihre Bedenken und Einwände vortragen können, die Eltern ihre Positionen. Am Ende hätten alle etwas gelernt, die Tochter hätte wahrscheinlich nicht mehr darauf bestanden, dass die Mutter ihren Job sofort kündigt, die Mutter hätte eventuell eingesehen, dass das Fracking vielleicht doch nicht das geringere Übel ist. Vielleicht hätten sie sich auch noch einmal darüber ausgetauscht, ob Solarenergie wirklich zu kostenintensiv ist und ob Windräder wirklich so schreckliche Vogelmörder sind, was in der Szene auch eben mal in zwei Sätzen vermittelt wurde.

Für mich sollten Familien aber auch eher ein demokratischer Ort sein. Kein Ort, wo die Eltern immer recht haben und die Kinder das nach einer kurzen Trotzphase dann auch einsehen, so wie es in vielen Serien dargestellt wird, so wie es auch in dieser Szene wieder dargestellt wurde.

Sicher, diese Szene gibt auch so generell wieder, wie es in unserer Gesellschaft läuft. Wenn junge Menschen für ihre Ideale kämpfen, werden diese Ideale meist abgewertet, wird verlangt, dass sie doch erst einmal richtig arbeiten sollten, wird unterstellt, dass sie noch nicht genügend Erfahrungen haben, um überhaupt schon Ideale besitzen zu können. Und ja, es ärgert mich immer mehr, dass genau diese Vorstellungen in Serien immer wieder verbreitet werden!

Erfahrungen sammeln junge Menschen auch dann, wenn sie für ihre Ideale kämpfen und wenn sie dabei nicht immer wieder ausgebremst werden, dann könnte sich daraus sogar auch ein positiver Effekt für unsere Demokratie entwickeln, aber dann könnte sich ja das Leben der alten Menschen verändern, die aber meist nicht mehr bereit sind, sich für Neues zu öffnen und ihre eigenen Ansichten zu hinterfragen.

16 August 2022

16.08.2022: Was für ein Horror-Montag!

Was für ein Horror-Montag! Horror, Horror, Horror!

Der Tag fing eigentlich gut an in Rostock. Pünktlich aufgestanden, pünktlich losgefahren, kein Stau auf der Autobahn nach Berlin, alles super. In Berlin angekommen, ging auch noch alles gut. Gut, ich habe kurz eine extra Runde mit dem Auto fahren müssen, weil ich an einer Stelle zu spät bemerkt habe, dass ich hätte abbiegen müssen, aber ist ja nicht weiter schlimm. Also schon, für das Klima ist jeder Extrakilometer nicht so gut, aber das ist ein anderes Thema.

Unterwegs war ich mit einem Kastenwagen, mit dem ich am Donnerstag der letzten Woche nach Rostock gefahren war, um dort einen Auftrag zu erledigen. Der lief übrigens auch super, Rostock war schön, super Wetter, viele Menschen und ich durfte dort Fahrrad fahren. Genau gesagt ein Lastenrad für Promotionzwecke, aber damit habe ich kein Problem. Ich weiß, andere haben ein Problem mit Werbung, hassen Menschen, die mit Werbung durch die Stadt fahren, aber dazu gehöre ich nicht, ich liebe es, mit dem Fahrrad zu fahren und ja, die Promotion ist halt mit dabei.

Ich war also in Berlin angekommen. Musste noch kurz zum Lager, wo ich das Fahrrad wieder abstellen musste und da passierte mir mein erster Fahrfehler an diesem Tag. Ich nahm mit dem Kastenwagen eine Kurve zu eng, kam dabei auf den Bordstein und habe dabei ein Verkehrsschild mit der oberen Kante des Kastenwagens gestreift. Scheiße, denn der Kastenwagen war natürlich ein Leihwagen und Lackschäden sind ja die Schäden, die immer so extrem hohe Kosten aufrufen, obwohl die meist gar nicht wirklich beseitigt werden. Gut, Lerneffekt, so einen Fehler macht mensch einmal, gerade mit einem Kastenwagen, der ja doch noch einmal deutlich größer ist als ein normaler Transporter und den mensch dann auch nicht allzu oft fährt. Also den Kastenwagen, mit Transportern habe ich weniger Probleme, die bin ich schön öfter gefahren.

Dazu muss ich sagen, dass ich in Berlin ungern mit Autos fahre, die größer sind als PKWs. Transporter gehen noch, besonders weil die meisten – ich nutze hier meist Carsharing – Sensoren haben, die die schwierigen Situationen dann doch noch ein wenig erleichtern. Kastenwagen wollte ich eigentlich nicht unbedingt fahren, aber so für 30 Minuten in der Stadt war es bisher eigentlich okay, wäre es auch nach diesem Fahrfehler noch gewesen, obwohl der mich natürlich auch schon extrem geärgert hat.

Nachdem die Polizei den Schaden dann aufgenommen hatte, das Fahrrad im Lager stand und ich den ersten Ärger verdaut hatte, wollte ich den Kastenwagen zur Leihstation bringen. Knapp 15 Kilometer waren es noch. Also nicht mehr viel Strecke, dann hätte ich den Stressfaktor Kastenwagen wieder abgeben können, hätte mich noch ein wenig über meinen Fahrfehler ärgern können, wäre aber am Donnerstag gleich wieder zum nächsten Auftrag mit einem Kastenwagen aufgebrochen.

Sieben Kilometer vor dem Ziel, Landsberger Allee kurz nach dem Alex, musste ich kurz auf die linke Spur wechseln, um einem stehenden Transporter auszuweichen. Alles super. Hinter mir war ein LKW, der es anscheinend eilig hatte. Hätte mir egal sein können und vielleicht hätte ich auch einfach auf der linken Spur bleiben sollen, aber irgendwie wollte ich wieder auf die rechte Spur, allerdings nicht, damit mich der LKW links überholt. Also ich hätte schon gehofft, dass er noch ein paar hundert Meter wartet, um mich zu überholen, so war es aber an einer Stelle, an der es auch noch eine leichte Kurve gab, wobei Kurve vielleicht übertrieben ist, aber das war wohl einer der Knackpunkte, denn der LKW links kam mir ziemlich nah und so machte ich mit dem Kastenwagen einen Fahrfehler, war zu weit rechts und stieß so mit dem Außenspiegel des Kastenwagens gegen einen parkenden PKW. Der hatte dann keine Rückleuchten mehr und ich hatte rechts einen zerstörten Außenspiegel.

Ich hätte heulen können, zwei Unfälle waren dann doch zu viel, sodass ich auch keinen Meter mehr mit dem Kastenwagen fahren wollte. Musste ich vorerst auch nicht, da ich erst einmal die Polizei – zum zweiten Mal an diesem Tag – rufen musste, damit die den Unfall aufnehmen konnten, damit auch der*die Halter*in des parkenden Fahrzeuges seinen Schaden ersetzt bekommt. In der Stunde, in der ich auf die Polizei warten musste, beobachtete ich den Straßenverkehr, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mir das nur eingebildet hatte mit dem LKW, aber an der Stelle schnitten tatsächlich alle LKWs, die auf der linken Spur fuhren, die Spur und fuhren kurzzeitig auf der rechten Spur, auf der ich auch gefahren bin. Es war also keine Einbildung, der LKW kam mir ziemlich nah. Egal, den Fahrfehler habe am Ende ich gemacht.

Irgendwann kam dann die Polizei, ich war noch ziemlich fertig und so dauerte es eine Weile, bis ich vermitteln konnte, was ich sagen wollte und bis mich die Polizei dann auch verstand. Den Tipp, beim nächsten Mal einfach stur geradeaus zu fahren, fand ich dann doch nicht so hilfreich, weil was wäre wohl passiert, wenn der LKW mich von links angestoßen hätte? Dann wäre vielleicht ein noch größerer Schaden entstanden, vielleicht wären noch nachfolgende Autos in den Unfall verwickelt wurden. Weiß nicht, ob dies die bessere Alternative gewesen wäre, auch wenn ich dann vielleicht nicht die komplette Schuld am Unfall gehabt hätte.

In der Zwischenzeit hatte die Agentur dann auch einen neuen Fahrer geschickt, welcher den Kastenwagen dann zurück zur Leihstation brachte. Ich hätte ihn keinen Meter mehr bewegt, es war einfach nur der Horror und ich bin auch heute noch ziemlich fertig.

Was mich auch fertig macht – was auch der Grund ist, warum ich in Berlin nicht gerne fahre -, ist, dass die Leute immer davon ausgehen, dass das mit dem Überholen immer geht, sobald eine Straße zwei Spuren hat. Mit zwei normalen PKWs wäre es vielleicht auch so, mit einem Kastenwagen und einem LKW dann schon eher weniger! Auch der Polizist sagte mir, dass er sich zwei LKWs nebeneinander an dieser Stelle nicht vorstellen könnte, was ich so nur bestätigen konnte, aber es war ja leider so. Und klar, vielleicht war das im LKW ein Berufskraftfahrer, der täglich mit seinem LKW fährt, aber es sind halt nicht nur Berufskraftfahrer auf der Straße und es wäre halt schön, wenn das auch berücksichtigt wird und dann vielleicht doch auf das ein oder andere Überholmanöver an engeren Stellen im Stadtverkehr verzichtet wird. Es würde das Leben für viele Menschen einfacher machen, aber leider ist das im Straßenverkehr nicht so. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass es von Monat zu Monat aggressiver wird. An der Ampel wird ja gefühlt schon gehupt, wenn der erste Autofahrer nicht schon losfährt, wenn die Ampel von Rot auf Gelb wechselt, es wird geschnitten, die Vorfahrt missachtet und vieles mehr. Aber okay, auch das ist ein anderes Thema.

Am Donnerstag werde ich nun nicht mit dem Kastenwagen als Fahrer zum nächsten Auftrag starten. Ich werde als Beifahrer dabei sein. Derzeit kann ich mir auch nicht vorstellen, überhaupt noch einmal mit einem Kastenwagen zu fahren. Wenn doch, dann habe ich aus dem zweiten Unfall gelernt, dass ich jetzt lieber auf der linken Spur bleibe, wenn ich wieder an solch eine enge Stelle komme. Dann können immer noch Unfälle passieren, weil es dann wieder Menschen geben wird, die unbedingt rechts überholen müssen, aber am Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer kann ich halt nicht viel ändern.