Organspenden sind ja ein gesellschaftlich heiß diskutiertes Thema. Die einen haben kein Problem damit, ihre noch lebenden Organe anderen Menschen zur Verfügung zu stellen, damit diese eine Chance auf ein längeres Leben haben. Andere hingegen sind der Meinung, dass der Mensch nicht wirklich tot ist, weil er ja noch atmet, weil viele Körperfunktionen künstlich am Leben gehalten werden. In der TAZ gab es jetzt einen Essay zum Thema, der eben auch dieses Thema aufgreift, der auch noch ein wenig den ökonomischen Charakter ins Spiel bringt. Angeheizt ist die Debatte durch die mögliche Umstellung vom Opt-In-Verfahren zur Organspende zu einem Opt-Out-Verfahren.

Was ist mein Körper, wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert?

Vielleicht vorneweg, ich trage seit Jahren einen Organspendeausweis bei mir. Ich finde, dass meine Organe ruhig in anderen Menschen weiterleben dürfen, wenn es mein Bewusstsein nicht mehr gibt. Und mein Bewusstsein, da bin ich mir ziemlich sicher, ist im Gehirn anzutreffen. Nicht im Herzen, nicht im Magen und auch nicht in der Leber. Wenn mein Körper also nicht mehr durch mein Gehirn am Leben gehalten wird, sondern durch medizinische Geräte, dann bin ich nicht mehr da. Wenn durch das Abschalten der Geräte auch die Körperfunktionen abgestellt werden, also auch der restliche Körper stirbt, dann kann dies auch gerne während des Prozesses der Organentnahme geschehen.

Am Ende verwest der Körper oder, um einen Begriff aus dem TAZ-Artikel zu verwenden, er ist Biomüll. Wobei Müll ja doch negativ ist, da er ja durchaus Grundlage für neues Leben ist. Er sich also in den Kreislauf des Entstehens und Vergehens befindet und warum sollte es ethisch jetzt besser sein, wenn meine Organe, die anderen Menschen noch hätten Leben schenken können, eben einfach so vor sich hin verwesen? Warum sollten Teile meines Körpers nicht in einem anderen Körper weiterleben und einem funktionierendem Gehirn einen funktionierenden Körper zur Verfügung stellen?

Natürlich hab auch ich Ängste …

Ich möchte damit natürlich nicht die Ängste von bestimmten Personen kleinreden. Im Gegenteil, auch ich habe Ängste. Auch ich mache mir Gedanken darüber, ob die Ärzte wirklich immer richtig liegen, wenn sie den Gehirntod feststellen. Natürlich hoffe ich, dass die Ärztinnen hier strenge Maßstäbe setzen und ich nicht doch die Schmerzen der Organentnahme noch spüren muss. Und natürlich ist mir bewusst, dass das auch für die Hinterbliebenen ein schmerzvoller Prozess ist, da sie ja auch noch eine gewisse Entscheidung fällen müssen. Aber am Ende vertraue ich den Menschen dann doch. Ich gehe davon aus, dass sie alles tun, um erst einmal mein Leben und mein Bewusstsein zu retten, bevor sie dann daran denken, mit meinen Organen das Leben anderer Menschen zu retten.

Abschied nehmen

Ein Aspekt, der dann noch kommt, ist der Aspekt des Abschiedsnehmens. Ich weiß nicht, warum es nicht möglich sein soll Abschied zu nehmen, wenn einige meiner Organe in anderen Körpern verschwunden sind. Die Menschen, die Abschied nehmen, nehmen diesen Abschied ja nicht von meinen Organen. Sie nehmen Abschied von mir, von meinem Bewusstsein, von meiner Persönlichkeit. Das ist auch möglich, ohne dass sie mich noch einmal in einem Sarg sehen müssen.

Ich kann leider den Menschen, die in der Organspende etwas Negatives sehen, nicht folgen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich kein religiöser Mensch bin, weil ich von der Schöpfungsgeschichte nichts halte. Ich kann keinen Unterschied darin sehen, ob mein Körper nun Lebensgrundlage für Würmer und Käfer ist, oder ob mein Körper die Lebensgrundlage für einen anderen Menschen ist. Wenn mein Bewusstsein weg ist, wenn mein Gehirn so geschädigt ist, dass ich nicht mehr ICH bin, dann bin ich als Persönlichkeit gegangen. Und wenn ich als Persönlichkeit gegangen bin, dann bin ich eindeutig tot – jedenfalls nach meinen Maßstäben. Und jeder Mensch, der andere Maßstäbe hat, der kann auch bei einer Opt-Out-Lösung der Organspende immer noch widersprechen, kann diese weiterhin für sich ablehnen. Eventuell würde eine solche Lösung auch mehr Menschen dazu bringen, über diesen letzten Abschnitt auf dieser Welt einmal nachzudenken.

Und ein Gedanke kam mir gerade noch:

Ist es nicht sogar meinem Körper gegenüber unfair, wenn ich Teilen von ihm verbiete weiterzuleben, nur weil mein Gehirn nicht mehr funktioniert? Wenn ich verlange, dass sie mit meinem Gehirn zusammen sterben? 

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