„Ich gehe dieses Jahr nicht wählen!“ – das hört sich so nach Protest an, nach etwas Großartigen. Ich werde den Politikern dieses Jahr meine Stimme nicht geben, sie werden schon sehen, was sie davon haben. Ich kann mit meiner Stimme eh nichts ändern, sie fehlt ja auch niemanden und die anderen werden schon dafür sorgen, dass zum Beispiel die Nazis nicht in den Bundestag kommen. Und überhaupt, ich gehe erst wieder wählen, wenn sich in diesem Land etwas geändert hat! Ich ändere mit meiner Wahlverweigerung das Land und ihr, die ihr wählen geht, seid total blauäugig, weil ihr denkt, dass ihr was ändern könnt.

Warum wählen gehen?
Warum wählen gehen?

 

Dabei verlieren die Nichtwähler eines aus den Augen. Der Kuchen, der verteilt werden kann, wird zwar immer kleiner, aber wenn das Stück, dass eine Partei bekommt, gleichgroß bleibt, vergrößert sich deren Anteil am gesamten Kuchen. Wenn die Nazis also eine konstante Anzahl von Wählern haben und diese immer zur Wahl gehen, dann vergrößert sich deren Anteil am Kuchen kontinuierlich, umso mehr Bürger sich entscheiden nicht zur Wahl zu gehen. Aber auch die großen Parteien, die ja auch eine gewisse Stammwählerschaft haben, profitieren von den Nichtwählern, sie freuen sich also sogar darüber, wenn Bürger ihr Wahlrecht nicht ausüben, wenn sie sowieso nicht vorhatten, eine der großen Parteien zu wählen. Nichtwähler zementieren im Grunde den Status, den wir derzeit haben. Sie verändern nichts, sie gießen den jetzigen Zustand in Blei, mit der Ausrede, dass die eigene Stimme doch eh nichts ändert.

Wenn ich etwas ändern möchte, dann muss ich wählen gehen. Dazu gehört aber auch Mut, der Mut nämlich, sich auch mal für eine Partei zu entscheiden, die wahrscheinlich nicht in den Bundestag einziehen wird. Denn nur, wenn der Kuchen größer wird, sich aber an der Größe des Stückes nichts ändert, welches die Parteien bekommen, nur dann werden die Parteien merken, dass irgendetwas schiefläuft. Erst dann müssen sie wieder kämpfen, erst denn müssen sie wirklich etwas ändern, damit ihr Stück wieder groß genug wird, damit sie ihre Macht erhalten können. Wenn ich möchte, dass sich die Politik ändert, dann muss ich wählen gehen!

Es ist ja nicht so, dass nur sieben Parteien zur Wahl stehen. Es gibt sehr viel mehr Auswahl, was natürlich auch bedeutet, dass der Aufwand größer ist, sich über all diese Parteien zu informieren. Aber so funktioniert nun einmal Demokratie! Jeder hat die Verantwortung, sich eine Meinung zu bilden und diese Meinung mit den Programmen der Parteien abzugleichen. Und in einer Demokratie ist es auch legitim, eine Partei zu wählen, die eventuell nur einen Programmpunkt hat. Aber es ist eben auch wichtig, diese Partei zu wählen, wenn sie mit meinen Meinungen übereinstimmt. Nichtwähler zu werden, nur weil die Partei, der ich eventuell meine Stimme geben würde, wahrscheinlich nicht in den Bundestag kommt, ist feige. Und es ist dumm, weil nämlich genau dadurch das System, welches wir nicht gut finden, gestärkt wird.

Horst geht dieses Jahr auch nicht zur Wahl. Er hat, so wie ich, jahrelang die SPD gewählt. Auch ich werde die SPD nicht wählen, aber ich werde von meinem Wahlrecht gebrauch machen! Ich möchte nicht, dass die etablierten Parteien von einem kleiner werdenden Kuchen profitieren, ich möchte nicht, dass die FDP nachher in den Bundestag kommt, nur weil der Kuchen klein genug war, damit ihr Stück ausreicht, um die Hürden zu überspringen. Ich möchte nicht, dass die SPD sich über 30 + x Stimmen freut, obwohl sich der Anteil an Wähler eigentlich verringert hat. Ich möchte, dass die Parteien merken, dass sie einen Wähler verloren haben, dass sie das auch in den Prozenten merken, die sie bekommen und ich möchte, dass sie darüber nachdenken müssen, wie sie das wieder ändern können. Deswegen habe ich auch den Mut eine kleinere Partei zu wählen, eine Partei, die es wahrscheinlich nicht in den Bundestag schaffen wird, die aber dadurch, dass ich sie gewählt habe, den Kuchen vergrößert und somit die Anteile verkleinert, welche die anderen Parteien an diesem Kuchen haben. Ich alleine werde damit nicht viel ändern können, das ist mir klar, aber wenn sich die Nichtwähler irgendwann einmal bewusst werden, welche Macht sie eigentlich hätten, wenn sie wählen würden, dann könnte sich sehr schnell etwas ändern, denn dann müssten die Parteien wieder an ihrem Profil arbeiten und wirklich wieder die Politik machen, für die sie eigentlich stehen sollten.

6 Gedanken zu „Ich gehe nicht wählen…

  1. Boah, erst wollte ich meckern nach dem ersten Satz und der Überschrift.
    Aber dann hast Du ja alles richtig gestellt. 🙂
    Wählen gehen ist sehr sehr wichtig, aus eben jenen Gründen die Du angeführt hast. Klar sind viele frustriert, und erst recht sollten diese frustrierten Wähler den kleinen Parteien die eh nicht über die 5% Hürde kommen wählen… schon alleine damit man den etablierten Parteien so eine Klatsche erteilen kann. Und wenn das von Wahl zu Wahl so weitergeht, dann beginnen vielleicht auch die großen Parteien mit dem Umdenken… Hoffnung stirbt zuletzt.

  2. Eine freie Wahl bedeutet auch, dass wir erlauben und respektieren, wenn man nicht wählen gehen möchte. Es gibt jedoch einen Sachverhalt, der hat mich persönlich immer davon abgehalten, nicht wählen zu gehen. Es gibt Menschen, die haben keine Wahl.

    • Das wäre nur dann legitim, wenn Nichtwähler am Ende auch berücksichtigt werden würden. Das werden sie aber nicht, weswegen Nichtwähler nichts am System ändern.

  3. Nichtwähler sollen von mir aus nicht wählen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn man nicht wählen geht, sollte man danach aber auch nicht jammern, wie schlecht alles ist. Wähler die aus Gewohnheit immer die gleiche Partei wählen, finde ich aber genauso blöd, wie Nichtwähler.

    Meine Stimme wird diesmal eine kleine Partei bekommen, weil die Großen in letzter Zeit zuviel Mist bauen.

  4. Ich finde, dass ein jeder Bürger zur Wahl gehen sollte und sich für allgemeine Nachrichten und die Politik interessieren sollte. Denn all dies ist im alltäglichen Leben verankert und geht einen jeden an. Jemand, der sagt ich geh nicht wählen – der macht es sich in meinen Augen zu einfach. Vor allem dann, wenn man sich noch nicht einmal mit der Politik auseinandersetzt.
    Es gibt Länder, da dürfen Frauen immer noch nicht wählen gehen. Diktatoren, die freie Wahlen verbieten. Es hat schon etliche Menschenleben gekostet, die darum gekämpft haben die Möglichkeit zu haben Ihre Stimme abzugeben. Und in Deutschland hat man dieses höchste Gut der Demokratie und was machen die Leute… sie bleiben zuhause, wo andere dafür Ihr Leben lassen.

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