Jamila
Jamila, ein junges MĂ€dchen vom afrikanischen Kontinent. Sie ist gerade erst 15 und doch schon so erwachsen. Sie ist auf der Suche nach ihrem Platz in dieser Welt, einen Ort, an dem sie keinen Hunger erleiden muss, einen Platz, an dem sie sich sicher fĂŒhlt. Jamila möchte eine Ausbildung machen, möchte Arbeiten, will Geld verdienen. Das MĂ€dchen kennt keinen Neid, freut sich darĂŒber, dass es anderen Menschen gut geht, aber es möchte sich seinen Teil von diesem Wohlstand erarbeiten, möchte niemanden etwas wegnehmen. Wenn Jamila in Afrika die Möglichkeit dazu hĂ€tte, wĂŒrde sie es dort tun â nein, sie wird es dort tun, sobald sie genĂŒgend Geld verdient hat, um dort etwas aufzubauen. Und wenn es mit dem Geld nicht klappt, dann möchte sie wenigstens genĂŒgend Bildung erwerben, um diese dann an andere afrikanische Kinder weiterzugeben, damit die etwas aufbauen können, in ihrem Land, welches auf dem afrikanischen Kontinent liegt.
Jamila möchte hier nicht weg. Sie liebt dieses Land, sie liebt die Natur, die Landschaften. Hier hat sie ihre Wurzeln, hier hat sie ihre Familie, aber hier muss sie eben auch stĂ€ndig mit ihrem Hunger leben. Und dann diese Gewalt. Nein, die meisten Menschen sind nicht Böse, da ist sich Jamila sicher, es sind die UmstĂ€nde, die sie zu dem machen, was sie inzwischen sind. Wenn die Menschen nicht stĂ€ndig hungern mĂŒssten, obwohl sie so viel arbeiten, dann wĂ€ren sie friedlicher, dann wĂŒrden sie sich nicht mit Gewalt das holen mĂŒssen, was sie zum Leben brauchen. Jamila weiĂ, wo das Geld ist, das hier fehlt. Es ist dort, wo die Rohstoffe hingehen, die hier abgebaut werden und fĂŒr die nur wenig Geld gezahlt wird.
Jamila wĂŒrde gerne Politik machen, aber das ist in ihrem Land kaum möglich. Wenn es möglich wĂ€re, wĂŒrde sie vieles in ihrem Land Ă€ndern, sie wĂŒrde dafĂŒr sorgen, dass es den Menschen gut geht, aber ihr fehlt das Geld, um hier Politik machen zu können. Und den Menschen in ihrem Land fehlt die Bildung, um etwas Ă€ndern zu können. Und genau deswegen möchte sie nach Europa. Sie möchte Geld verdienen und sie möchte Wissen sammeln und mit beiden möchte sie zurĂŒck in ihr Land.
Schauen wir mal, wo Jamila gerade ist, schauen wir mal, wie weit sie schon ist, ob sie Europa schon erreicht hat:
âJamila, wo bist du gerade?â
âIch bin hier, siehst du mich?â
âJamila, ich sehe viel Wasser, sehr viel Wasser, aber dich sehe ich nicht. Wo ist denn dein Boot?â
âMein Boot ist gesunken. Es waren wohl zu viele Menschen drauf, aber ich bin hier, schau einmal genau hin. Ich schwimme hier, siehst du mich? Ich versuche es weiterhin, versuche nach Europa zu kommen.â
âJamila, Europa ist noch viel zu weit weg. Da ist doch nirgendwo Land, da ist nur Wasser, ĂŒberall Wasser um dich herum.â
âJa, sehr viel Wasser. Salziges Wasser. Aber ich muss schwimmen. Was sollte ich auch sonst tun? Hier ist kein Schiff, das mir zur Hilfe kommt, hier ist niemand, also muss ich schwimmen. Schwimmen und hoffen, dass ich das Land erreiche.â
âAber Jamila, so weit kann doch keiner schwimmen! Es ist viel zu weit weg!â
âIch muss, oder soll ich Aufgeben? Wenn ich nicht mehr schwimme, gehe ich unter, und wenn ich untergehe, kann ich nichts mehr Ă€ndern. Und es gibt viel zu Ă€ndern. In Europa, in Afrika, ĂŒberall. Ich muss nach Europa kommen und dort komme ich nur hin, wenn ich schwimme.â
âEs muss doch irgendwo ein Schiff sein, Jamila, irgendwo muss es doch Hilfe fĂŒr dich geben. Ich wĂŒrde dir so gerne helfen, aber ich kann nicht. Warum kann ich dir nicht helfen, Jamila?â
âWeil du nicht hier bist, weil du kein Boot hast, und wenn du eines hĂ€ttest, dann wĂ€rst du immer noch nicht hier. Und hier ist auch kein anderes Schiff und deswegen muss ich weiter schwimmen und hoffen.â
âJamila, wo bist du? Ich kann dich nicht mehr sehen, nur noch Wasser… – Jamila?â
Jamila ist fort! War sie dort ĂŒberhaupt? Schwamm sie eben wirklich dort auf dem Wasser, war sie da? Ja, Jamila war dort, nun ist sie fort, fĂŒr immer. Jamilia, auf hebrĂ€isch bedeutet das âDie den Frieden bringtâ – Jamila ist ertrunken, vor der KĂŒste des FriedensnobelpreistrĂ€gers. Wer bringt jetzt den Frieden? Den Frieden nach Afrika, den Frieden unter die Menschen? Jamila kann es nicht mehr, sie musste sterben, weil Europa Angst davor hat, den Wohlstand zu teilen. Den Wohlstand, der zum Teil auch aus Afrika stammt.