Nachdem ich hier im letzten Artikel über das Aufhören nachgedacht habe, muss jetzt noch ein Artikel über das Anfangen folgen. Nein, geplant habe ich das nicht, allerdings war auch der Artikel über das Aufhören nicht geplant, sondern entstand spontan beim Hören eines Podcasts.
Wir erinnern uns, im Podcast ging es um eine Familie, die für ein Jahr nach Norwegen geht und ihr altes Leben hier in Deutschland zurücklässt. Mich ließ der Gedanke nicht los, dass das eigentlich kein Aufhören ist, weil die Familie hört ja nicht auf zu leben, sie fängt nur in Norwegen eine neue Phase ihres Lebens an. Damit möchte ich gar nicht sagen, dass die Familie nicht auch mit irgendwas aufhört, weil das macht sie ja. Sie hören mit ihren vertrauten Jobs auf, sie hören mit bestimmten Verpflichtungen auf, die sie nicht mehr erfüllen können, weil sie in Norwegen sind, aber vielmehr fangen sie ja mit etwas an. Dieses Anfangen lag zeitlich ziemlich sicher vor dem Aufhören! Denn so ein Jahr in Norwegen will ja geplant sein, und bevor da jemand mit etwas aufgehört hat, musste ja erst einmal sichergestellt werden, dass das mit dem Anfangen in Norwegen auch mit Sicherheit klappt. Deswegen vermute ich, dass sie den Mut, von dem im Podcast gesprochen wurde, nicht brauchten, um mit etwas aufzuhören, sondern um mit etwas anzufangen.
Ist das Anfangen also nicht vielleicht sogar die wichtigere Handlung von beiden, weil das Planen des Aufhörens ja schon der Beginn des Anfangens ist? Und ja, auch Anfangen ist wohl ein Privileg, was nicht jeder einfach so realisieren kann, jedenfalls dann nicht, wenn dieses Anfangen von dem Vorhandensein eines finanziellen Polsters abhängt. Aber das ist ja nicht in jedem Fall so, und so könnten wir alle mit etwas anfangen, auch wenn wir gerade kein Geld zur Verfügung haben. Das macht anfangen so spannend, denn so ein Anfang könnte der erste Schritt raus aus einer Situation sein, aus der wir eigentlich schon lange ausbrechen wollen. Etwas, mit dem wir aufhören wollen, weil es uns einengt, weil es uns schmerzt, weil es nicht mehr das ist, was wir sind. Eine Situation, aus der wir aber gerade noch nicht raus können, weil gerade noch etwas fehlt, was wir aber haben könnten, wenn wir nur erst einmal mit etwas anderem anfangen.
Dazu müssen wir dann aber auch anfangen! Aus dem Gedanken: „Ich müsste mal …“, ein „Ich mache jetzt mal …“ machen. Keine Vorsätze, die irgendwann einmal umgesetzt werden sollen, die aber untergehen, weil dann wieder was dazwischen kommt, sondern wirklich anfangen. Pläne machen, die über einen Vorsatz sein hinausgehen, kann durchaus so ein Anfang sein. Sie müssen dann aber konkret sein, fassbar und nicht nur Träumereien. Anfangen bedeutet, aus Träumen Realität werden zu lassen, auch wenn so ein Anfang auch immer einhergeht mit der Gefahr zu scheitern. Wegen dieser Gefahr bleibt es dann wohl meist auch beim Träumen, weil ein Traum, der weiterhin geträumt werden kann, noch nicht gescheitert ist.
Doch blockieren solche Träume, die nie angefangen werden, in die Realität umgesetzt zu werden, nicht den Platz für neue Träume? Versperrt uns die Angst vor dem Anfangen, der die Angst vor dem Scheitern inhärent ist, nicht den Weg zum Aufhören und somit auch zu dem Neuen, dass hinter dem Anfangen und Aufhören auf uns wartet?
Ist der Mut, der nötig ist, um mit etwas aufzuhören, somit nicht die Anstrengung, die nötig ist, um mit etwas anzufangen?
So ein Anfang kann ja etwas ganz Simples sein. Die Entrümpelung des Kellers zum Beispiel, oder der Besuch von kostenlosen Nachbarschaftstreffen, um sich mit Menschen aus der Nachbarschaft zu vernetzen, gemeinsam zu lernen, gemeinsam zu wachsen und vielleicht gemeinsam aufzuhören und anzufangen.
Klar, so ein Anfang ist vielleicht fordernd, holt uns aus unserer Komfortzone, aber ist dadurch vielleicht auch erst der Impuls für das Aufhören!
Vielleicht ist dieser Text auch nur ein Impuls für mich, endlich mit dem eigentlichen Text anzufangen, den ich schon ewig schreiben möchte. Oder er ist Ausdruck der Angst, die Neuanfänge in mir auslösen, weswegen ich mit anderen Dingen noch immer nicht aufgehört habe. Oder es ist einfach nur ein Text, für den ihr mich, nachdem ihr ihn bis hierhin gelesen habt, als Irren abstempelt, der sich über seltsame Dinge Gedanken macht.
Ich hatte mal die Idee, Onlinekurse im Kreativen Schreiben zu veranstalten – zu Zeiten, als es noch keine fertigen Plattformen dafür gab. Da ich aber immer etwas Dringenderes zu tun hatte, kam ich erstmal nicht dazu, es konkret anzugehen. Erst als ein lieber Freund mir beibrachte, das eigene Vorhaben an die erste Stelle zu setzen, ZUERST daran zu arbeiten und DANACH alles andere – dadurch bin ich in die Gänge gekommen, hab einen Programmierer gefunden, mit ihm die Plattform entwickelt und dann 3 Jahre lang Kurse veranstaltet.
Manchmal braucht es etwas mentale / emotionale Hilfe, um wirklich anzufangen!
Das mit der mentalen oder emotionalen Hilfe kann ich verstehen. Der berühmte Tritt in den Hintern, um endlich mal das zu machen, was einem schon lange im Kopf vorgeht. Finde spannend, dass du das mit dem kreativen Schreiben umgesetzt hast. Hat es am Ende nicht mehr gepasst? Kam was Neues, mit dem angefangen werden musste oder warum ging es nach drei Jahren zu Ende?
Es ging zu Ende, weil ich damit durch war. Mit den Erfahrungen, die man dabei macht, mit den Themen, die ich vorgehabt hatte, schließlich auch mit dem hohen Aufwand an Arbeit und persönlicher Präsenz! Es war ja keine Plattform, bei der die Leute miteinander allein gelassen und mit Konserven belehrt wurden, sondern eine sehr aktive Gruppe. Alles 2 bis 3 Tage bekamen sie einen „Schreibimpuls“ (Text, Bild, Website…), verfassten dann ihre Texte und bekamen von mir einen ausführlichen Kommentar, schreibtechnisch und inhaltlich. Über Weihnachten und Neujahr hatte ich dreimal den „Kurs für Jahresendeitmuffel: Wenn die Nacht am tiefsten ist.“ Mit 10 Mitschreibenden summiert sich das recht ordentlich – Es gab ja auch noch Mailkontakte und ein Forum, gelegentliche technische Fragen… ich war fertig danach!
Es war aber auch eine tolle Zeit. Ich ging schon immer gern intensiv in etwas hinein – aber irgendwann bin ich damit dann auch durch. 🙂 Andere hätten vielleicht versucht, mehr Leute beizuziehen, höhere Preise zu nehmen, es „unternehmerischer“ anzugehen – aber dazu hatte ich keine Lust.
Das kann ich verstehen. Wenn ich beruflich mit etwas durch bin, dann kommt bei mir auch irgendwann der Zeitpunkt, wo ich nicht mehr will und ich es dann auch nicht mehr mache. Deswegen bin ich ja selbstständig. Allerdings, wie hier in einem anderen Kommentar schon geschrieben, bin ich absolut nicht gut darin, mit etwas wirklich aufzuhören. Das trifft aber eher auf private Dinge zu. Der Blog hier zum Beispiel. Ich wollte ihn in den letzten Jahren eigentlich schon öfter schließen, aber ich konnte dann doch nicht loslassen. Und bei so einem Projekt, wie du es hattest, wäre es mir wahrscheinlich auch sehr schwergefallen.
Oh Gott, ich bin so schlecht darin mit etwas abzuschließen und etwas neues anzufangen. Die Angst vor Veränderungen ist tief verankert und wird immer zu einem echten Hindernis für mich, dabei sind solche Veränderungen in den meisten Fällen etwas Gutes. So ein Neuanfang von etwas mit einem unbeschriebenen Blatt vor sich liegend, das wir mit neuen starken Wörtern füllen können.
Spannende Gedanken.
Ich bin auch schlecht darin, mit etwas wirklich aufzuhören, aber ich bin auch schlecht darin, nicht mit etwas Neuem anzufangen. Bedeutet, ich blockiere mich am Ende selbst, weil ich irgendwann nicht mehr weiß, was ich überhaupt machen soll. Dann sitze ich vor dem Fediverse und mache nichts und alles dauert länger 😉