Laubhaufen auf der Straße mit vielen herbstlichen Blättern auf dem Weg.

Ein wenig ideenlos sitze ich da vor dem Bildschirm, vor dem Kommentar, den ich gerade gelesen habe. Eine Antwort auf meinen Kommentar, eine Antwort, die ich so auch erwartet hatte. Ja, die Blogszene ist auch nur ein Dorf und die Person, auf dessen Kommentar ich geantwortet hatte und die jetzt eben auf diesen Kommentar geantwortet hat, kenne ich noch von früher.

Damals gab es durchaus spannende Diskussionen, oftmals auch mit konträren Meinungen, aber bis zu einem gewissen Zeitpunkt hat es Spaß gemacht. Irgendwann kippte es dann und die Antworten fühlten sich nur noch wie persönliche Angriffe an und dann war die Entscheidung nicht schwer, auf diese Diskussionen zu verzichten, auf Distanz zu der Person zu gehen. Es bringt ja keine der beiden Seiten weiter, wenn es sich nur noch wie ein reiner Abwehrkampf anfühlt und nicht mehr wie eine Diskussion, die Spaß macht und Erkenntnisse bringt.

Das funktionierte die letzten Jahre super, denn die Netzwerke, in denen wir uns bewegten, waren nicht dieselben. Vielleicht ist auch das Wort Bubble besser, um deutlich zu machen, dass es nicht um die Plattformen geht, sondern um die Menschen, mit denen ich kommuniziert habe und mit denen die andere Person kommuniziert hat.

Jetzt war aber dann der Zeitpunkt gekommen, an dem sich unsere Wege wieder kreuzten. Auf einem Blog, der gerade meinen Weg gekreuzt hat und auf dem sich interessante Artikel und Gedankengänge finden lassen, zu Themen, zu denen ich auch ein wenig was zu schreiben habe. Ich habe den Blog gerade erst entdeckt, oder hat die Blogbetreiberin mich gerade entdeckt? Jedenfalls ist es noch ein Schnuppern, ein Kennenlernen. Ich weiß noch nicht, wie die Gruppe denkt, die dort regelmäßig kommentiert, bis halt auf die eine Person, die ich von früher kenne.

Mir gehen tausende von Antworten durch den Kopf, die ich auf die Antwort der anderen Person gerne schreiben würde. Ich lasse es aber, weil es nicht mein Blog ist, weil die Antworten vielleicht auch nicht ganz so ausfallen würden, wie es mein eigener Anspruch wäre und weil sich daraus wahrscheinlich nur wieder so ein Abwehrkampf entwickeln würde. Das macht keinen Spaß, bringt keiner Seite einen Erkenntnisgewinn und würde vielleicht nur das Gefüge beschädigen, welches sich auf dem Blog über die Jahre entwickelt hat.

Ist es richtig, den Kommentar einfach so stehenzulassen? Wahrscheinlich nicht! Es ist, wie die Situation in der S-Bahn, wo sich eine Gruppe von Männern abfällig über Obdachlose geäußert hat. Am Ende wurden Obdachlose sogar mit Tieren gleichgesetzt, weil selbst anscheinend das Scheitern noch nicht erlebt wurde. Aus einer privilegierten Position heraus wurde da Menschen der Respekt und die Menschenrechte abgesprochen, so wie es oft in unserer Gesellschaft passiert. Auch da hat keiner was gesagt, obwohl es wahrscheinlich richtiger gewesen wäre, deutlich in den Widerspruch zu gehen.

Oder im Stadion beim Fußball, wenn frauenverachtende und/oder rassistische Kommentare unkommentiert bleiben, weil es in dem Moment ja nur um den Sport geht.

Es gibt noch mehr solcher Situationen, wo wir eigentlich was sagen müssten, es aber nicht tun, weil wir dazu unsere Komfortzone verlassen müssten, weil wir nicht wüssten, wie die Person, die einem Gegenüber steht, darauf reagiert. So lassen wir, vermutlich auch aus Angst, Menschenfeindlichkeit ohne Widerspruch im Raum stehen, wodurch diese erst an Legitimität und dann auch an Zustimmung gewinnt.

Natürlich gibt es Menschen, die da mutig sind. Die Widersprechen in jeder Situation, lassen Menschenfeindlichkeit nicht im Raum stehen, stellen dem eine klare Meinung gegenüber. Das wäre ich durchaus auch gerne, bin es aber nicht! Eben weil ich mir wahrscheinlich zu viele Gedanken darüber mache, wie die andere Person reagieren könnte und in meinem Kopf ist diese Reaktion meist mit viel Gewalt verbunden.

Woran liegt das? Wahrscheinlich an der nicht vorhandenen Debattenkultur hier in Deutschland. Wir können nicht debattieren, können Meinungen nicht austauschen und aushalten, können anderen nicht zuhören und am Ende akzeptieren, dass wir uns nicht einig werden. Das ist sehr pauschal gehalten, denn es gibt sicher Menschen, die genau das können, aber es sind halt viel zu wenige, was für eine Demokratie ein großes Problem ist. Es geht größtenteils sehr schnell auf die persönliche Ebene, auf der es dann sehr schwer wird, sich am Ende noch in die Augen zu schauen.

Also vielleicht doch Antworten?

Eigentlich schon, aber es gibt einen weiteren Grund, warum ich nicht antworten möchte. Es würde nämlich die Diskussion von Thema A, also dem eigentlichen Thema im Blogartikel, auf Thema B verschieben. Das passiert gerne, ist so gewollt, aber ich will es nicht unterstützen. Ich habe mich mit meinem ersten Kommentar schon verführen lassen, aber ich muss es ja nicht fortsetzen, muss nicht dabei helfen, den Fokus auf ein Scheinproblem zu verschieben, auf eine gefühlte Wahrheit, die jeder wahrscheinlich anders fühlt. Ich will, dass der Blickwinkel dort bleibt, wo er ist, weil genau dieser Blickwinkel gerade der richtige ist!

Ich glaube, dass es deswegen in diesem Fall am Ende doch okay ist, einfach nicht auf den Kommentar zu antworten, auch wenn mir Tausende von Wörtern durch den Kopf gehen, die gerne in eine Antwort sortiert werden möchten.

Puh, ist das schwierig, wenn du Gedanken sortierst und der Artikel auf einmal eine ganz andere Abzweigung nimmt und das dann eigentlich nichts mehr mit dem eigentlichen Grund für den Artikel zu tun hat.

Dann musst du den Auslöser für den Artikel schon ein wenig im Auge behalten und ihn dann auch immer wieder in das richtige Licht rücken, damit da nicht auf einmal ein – wenn auch nicht genannter – Mensch in einem falschen Licht steht. Und ja, bis auf den Menschen und vielleicht auch der Blogger*in, wird niemand je herausfinden, auf welchen Kommentar sich der Artikel bezieht und somit auch nicht, auf welche Person. Aber ich will auch eine unbekannte Person nicht in ein Licht rücken, wo sie nicht hingehört. So! Deswegen ist auch weder der Blog noch der Kommentar verlinkt.

Da ich das gerade brauchte, glaube ich, dass das Gedankentanzen eine neue Kategorie wird, die ich immer mal wieder nutzen werde, um meine Gedanken zu sortieren und den Kopf freizubekommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir bieten Ihnen an, auf unseren Internetseiten Fragen, Antworten, Meinungen oder Bewertungen, nachfolgend nur „Beiträge genannt, zu veröffentlichen. Sofern Sie dieses Angebot in Anspruch nehmen, verarbeiten und veröffentlichen wir Ihren Beitrag, Datum und Uhrzeit der Einreichung sowie das von Ihnen ggf. genutzte Pseudonym.

Rechtsgrundlage hierbei ist Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Die Einwilligung können Sie gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Hierzu müssen Sie uns lediglich über Ihren Widerruf in Kenntnis setzen.

Darüber hinaus verarbeiten wir auch Ihre IP- und E-Mail-Adresse. Die IP-Adresse wird verarbeitet, weil wir ein berechtigtes Interesse daran haben, weitere Schritte einzuleiten oder zu unterstützen, sofern Ihr Beitrag in Rechte Dritter eingreift und/oder er sonst wie rechtswidrig erfolgt.

Rechtsgrundlage ist in diesem Fall Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Unser berechtigtes Interesse liegt in der ggf. notwendigen Rechtsverteidigung.

Auszug aus unserer Datenschutzerklärung.