Auf dem Bild sind 3 A4-Blätter zu sehen, auf denen ich die erste Fassung des Briefes an Frau Bas geschrieben habe.

Sehr geehrte Frau Bas,

vor ein paar Wochen habe ich den Podcast „Ehrlich jetzt?“ gehört, in welche Sie auch über Bürger*Innenräte gesprochen haben. Dieser Podcast geht mir nicht wirklich auch dem Kopf, weil sie dort in diesem Zusammenhang auch sagten, dass die Entscheidung am Ende dann natürlich bei den gewählten Politiker*Innen liegt. Der Bürger*Innenrat soll also für ein bestimmtes Thema Vorschläge für Lösungen erarbeiten, die am Ende in irgendwelchen Schubladen verschwinden werden. Was genau soll das bringen?

Es braucht keine Alibi-Veranstaltungen, um mehr Demokratie zu simulieren, die am Ende nur dafür sorgen werden, dass sich noch mehr Menschen von der Demokratie abwenden! Es braucht jetzt Veranstaltungen, die Menschen in die Entscheidungsfindung mit einbauen, wo die Ergebnisse am Ende nicht in irgendwelchen Schubladen verschwinden. Bürger*Innenräte können hier ein sinnvoller Ansatz sein, aber eben nur, wenn die hier gefundenen Wege, um ein bestimmtes gesellschaftliches Thema zu bearbeiten, dann auch in Gesetze und Verordnungen umgesetzt werden. Sollte ihnen hier ein ausgeloster Bürger*Innenrat nicht demokratisch genug erscheinen, dann könnte am Ende ja ein Volksentscheid für diese Legitimation sorgen.

Mir ist natürlich bewusst, dass es derzeit noch keinen Volksentscheid auf Bundesebene gibt, aber es liegt ja im Möglichkeitsraum der gewählten Politiker*Innen, dieses Werkzeug einzuführen.

Es lag und liegt übrigens in der Verantwortung jeder Politiker*In, die seit der Gründung der BRD im Bundestag saß und sitzt, unsere Demokratie weiterzuentwickeln. Viel passiert ist da nicht, nicht einmal Institutionen wie Schule und Familie wurden demokratisiert. Wo das hinführt, erleben wir gerade mit der AfD! Diese Partei nutzt aus, dass Generationen von Menschen durch autoritäre Institutionen – ja, ich meine damit auch Schule und Familie – geprägt wurden. Dabei wäre es so verdammt wichtig, dass die Menschen, die eine Demokratie tragen sollen, auch durch demokratische Institutionen geprägt werden.

Genauso wichtig wäre es gewesen, dass die Demokratie als lebendiges Wesen gesehen worden wäre, welches nicht in ein Korsett gezwängt werden kann und dann einfach für ewig so funktioniert, wie es sich vor Jahrzehnten mal wer überlegt hat.

In der Zwischenzeit hat sich die Gesellschaft gewandelt. Es wurden neue Werkzeuge erfunden, die die Teilhabe an politischen Prozessen erleichtern. Werkzeuge, die es ermöglichen würden, politische Macht auf sehr viel mehr Schultern zu verteilen, Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten und in diese auch das Wissen, welches in der Bevölkerung schlummert, einzubeziehen.

All das bedeutet natürlich auch Veränderung! Allerdings verändert sich die Gesellschaft auch ständig, weswegen Demokratie, Verfassung und somit natürlich auch der Gesellschaftsvertrag, ständig neu verhandelt werden müssen. Ein ständiges Festhalten an Dingen, die vor 70 Jahren vielleicht eine Notwendigkeit darstellten, bringt die Gesellschaft nicht weiter, schwächt sie wahrscheinlich eher und führt dann eben auch zwangsläufig auf die falschen Wege.

Auch die repräsentative Demokratie gehört immer wieder auf den Prüfstand. Am Ende ist es eine Brückentechnologie, die uns entweder in eine wirkliche demokratische Gesellschaft führt, oder eben zurück in den Faschismus. In welche Richtung unsere Gesellschaft derzeit steuert, dass sehen Sie ja hoffentlich selbst.

Ist es schon zu spät, um diese Entwicklung aufzuhalten? Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht. Herausfinden lässt sich das aber nicht, indem ständig am Alten festgehalten wird. An alten Dingen, die sowieso nicht wirklich funktionieren! Oder sind wir eine Gesellschaft, die zu mehr als 80 Prozent aus Akademiker*Innen besteht? Wo ist die Repräsentanz von Bürgergeldempfänger*Innen? Wo die Menschen aus dem Niedriglohnsektor?

Die ist nicht gegeben! Aber selbst, wenn sie gegeben wäre, würden Koalitions- und Fraktionszwang immer noch dafür sorgen, dass nur die Fraktionen, die in der Regierung sind, tatsächlichen Einfluss auf die Gesetzgebung hätten. Wie soll da der demokratische Wettkampf um die besten Ideen entstehen, wo die Möglichkeit, Erfahrungs- und/oder Wissenslücken in den Fraktionen von außen auszugleichen?

Der Bundestag – natürlich auch die Landesparlamente – ist ein schöner Ort, um zu sehen, was mit einer Demokratie passiert, die seit Jahrzehnten in ein Korsett gepresst wird. Sie funktioniert irgendwann einfach nicht mehr!

Damit wäre ich wieder am Anfang meiner Gedanken, denn Sie wollen Bürger*Innenräte ebenso in dieses Korsett zwängen. Diese passen dort aber nicht rein, denn Bürger*Innen sind nicht doof und werden schnell hinterfragen, warum sie ihre Zeit für eine Veranstaltung opfern sollen, deren Ergebnisse am Ende nur eventuell in die Politik einfließen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit aber in einer Schublade enden werden. Dann lieber gleich sein lassen, oder eben das Korsett verbrennen und Demokratie leben, was durchaus auch bedeutet, auf Macht zu verzichten.

Es bedeutet übrigens auch, Freiräume bestehen zu lassen, damit sich eine Gesellschaft entwickeln kann. Sprachverbote, wie in Hessen geplant, verengen diese Freiräume und führen am Ende dazu, dass sich eine Gesellschaft weiter in die autoritäre Nische entwickelt.

Also trauen Sie sich, denken Sie Demokratie einmal in anderen Grenzen, ohne Korsett, mit vielen Freiräumen, mit dem Möglichkeitsraum der radikalen Veränderung. Mit der Zukunftsvision, dass die repräsentative Demokratie überflüssig wird und demokratische Entscheidungen wirklich durch alle in einem Konsensverfahren getroffen und getragen werden.

Bürger*Innenräte können Sie in diesem Zusammenhang als Einstieg begreifen. Als Format, wo die Werkzeuge vermittelt werden, wo Themen weit in die Gesellschaft getragen werden, weil Teilnehmer*Innen auch Familie, Freunde und Arbeitskolleg*Innen haben, mit denen sie darüber diskutieren werden. Als erster Schritt zu mehr direkter Demokratie, in der sich alle Gesellschaftsgruppen vertreten und repräsentiert fühlen. Als Einstieg zu einer Gesellschaft, die aus vielen demokratisch geprägten Bürger*Innen besteht.

Es würde mich freuen!

Sven

2 Gedanken zu „04.12.2023: Bürger*Innenräte – Brief an Frau Bas

  1. „Verantwortung jeder Politiker*In“
    Jedes Politikers und jeder Politikerin

    Dieser Genderwahnsinn … hört auf damit!!!

    Alleine schon die Optik im Text, vom Lesefluss ganz zu schweigen und lässt man sich den Text vorlesen, ist es eh ganz vorbei.

    Aber wichtig ist, dass der Gutmensch es mitmacht!

    • Okay, weil es ja tatsächlich als Thema im Brief kurz vorkommt, möchte ich darauf eingehen.

      1. Dies hier ist ein rein privater Blog. Hier entscheide also ich, wie ich schreiben möchte. Möchte ich Gendern, dann tue ich dies auch.
      2. Hast du jederzeit die Möglichkeit, diese Webseite zu verlassen, wenn dich das Gendern stört. Heißt, du musst die Artikel weder lesen noch musst du sie dir vorlesen lassen. Es gibt da absolut keinen Zwang!
      3. Zwang ist hier genau das Stichwort: Sprache entwickelt sich. Das macht sie schon seit Jahrhunderten und sie wird damit auch nicht aufhören. Gendern gehört zu dieser Entwicklung dazu und setzt sich entweder durch oder eben nicht. In der Gegenwart jedoch halte ich Gendern für richtig, was die Gesellschaft dann in den nächsten Jahrzehnten macht, ist ein ganz anderes Ding. Aber Zwang – und Sprachverbote sind übrigens auch ein Zwang – hat da überhaupt nichts zu suchen. Deswegen zwingt dich auch keiner zum Gendern! Ich werde hier im Blog auch Kommentare freischalten, in denen nicht gegendert wird. Denn wenn ich mir einen Freiraum nehme, um so zu schreiben, wie ich es für richtig halte, dann lasse ich auch anderen ihren Freiraum, Sprache so zu verwenden, wie sie es für richtig halten, solange darin kein Menschenhass zum Ausdruck kommt.
      4. Ist die Stelle, die hier erwähnt wird, nicht einmal konsequent gegendert, um die Lesbarkeit zu gewährleisten. Wäre hier also Genderwahn im Spiel, müsste ich diese Stelle jetzt überarbeiten.
      5. Was macht dir solche Angst vor dem Gendern? Hast du Angst, Privilegien zu verlieren, wenn Sprache inklusiver wird?

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