„Bello, wirst du wohl herkommen!“, rief Katja dem Hund hinterher, der sich im Park gerade von ihr abgesetzt hatte. Katja ist 26 Jahre alt und Hundesitterin. Sie ist die beliebteste Hundesitterin in der Stadt, weswegen sie mehr Nachfrager hat, als sie überhaupt bedienen kann. Gerade ist sie mit Bello unterwegs, einem mittelgroßen Hund, der für die nächsten sechs Stunden in ihrer Obhut sein wird.

Wenn Katja einmal nicht auf Hunde aufpasst, dann geht sie gerne in die Bibliothek, denn Bücher sind ihre Leidenschaft. Und obwohl sie viel Zeit damit verbringt, auf die Hunde anderer Menschen aufzupassen, verbringt sie doch die meiste Zeit – jedenfalls in ihrer Realität – mit den Büchern.

Hundesitterin ist Katja eigentlich auch nur geworden, weil sie schon in ihrer Jugend immer auf die Hunde der Nachbarn aufgepasst hat, um sich damit ihr Taschengeld aufzubessern. Von daher konnte sie viel Erfahrung im Umgang mit Hunden sammeln, was ihr jetzt zugutekam, denn nur dadurch konnte sie diesen Ferienjob zu ihrem Hauptberuf machen. Reich werden kann sie mit dem Job nicht, obwohl ihre Auftraggeber meist sehr reiche Leute sind, aber immerhin kann Katja damit einen guten Lebensstandard finanzieren, und da sie, bis auf die Bücher, keine Süchte hatte, konnte sie sogar noch Geld sparen. Einen Teil davon verwendete sie, um sich für das Alter abzusichern, mit dem anderen Teil konnte sie jedes Jahr einen schönen Urlaub machen, den sie mit ihrer besten Freundin verbrachte.

Sabine, so heißt ihre beste Freundin, begleitet Katja auch oft bei den Spaziergängen mit den Hunden, obwohl Sabine eigentlich kein so wirklicher Hundefan ist. Sie hatte eigentlich mal Angst vor Hunden, weil sie als Kind von einem Hund verfolgt wurde. Ihr Glück war, dass sie sich in einem Kaufhaus verstecken konnte, sonst wäre Sabine damals wohl von dem Hund gebissen wurden. Katja half ihr aber dabei, diese Angst zu überwinden, denn als Katjas beste Freundin kam Sabine natürlich mit vielen Hunden in Kontakt.

Heute war Sabine nicht dabei, was Katja aber nicht weiter störte. Natürlich findet Katja es schön, wenn sie sich während ihrer langen Spaziergänge mit ihrer besten Freundin unterhalten kann, aber ab und an liebt sie es auch, sich einfach nicht mit anderen Menschen unterhalten zu müssen. Heute war so ein Tag, denn eigentlich wollte sie heute in der Bibliothek sein. Bello war heute gar nicht eingeplant, doch da sie Zeit hatte, konnte sie den spontanen Auftrag annehmen, wofür sie allerdings einen Aufschlag von 50 Prozent auf ihr Honorar berechnete. Eigentlich noch viel zu wenig, wie Katja fand, denn durch diesen Auftrag ist ihr ein großes Abenteuer entgangen, auf das sie sich schon die letzten beiden Tage gefreut hatte.

Bibliothek und Abenteuer? Ja, für Katja ist das möglich. Katja hat da nämlich ein Geheimnis, das sie bisher mit niemandem geteilt hat. Katja kennt in der Bibliothek einen kleinen Raum, in den sie sich immer mit einem Buch zurückzieht, sobald sie sich aus der Masse der Bücher eines ausgesucht hat. Anscheinend wussten nicht einmal die Angestellten der Bibliothek, dass es diesen Raum gab, aber dieser Raum war natürlich nicht Katjas Geheimnis. Er war nur nützlich, weil Katja dann nicht unbedingt jedes Buch ausleihen muss, und sie ihre Abenteuer auch in der Bibliothek erleben kann.

Katja liest die Bücher nicht, so wie sie jeder andere liest, sondern sie verschwindet in den Büchern. Ihr Geheimnis ist, dass sie sich in die Bücher hinein beamen kann. Damit ist nicht gemeint, dass Katja eine sehr ausgeprägte Phantasie hat, wodurch sich die Geschichte real in ihrem Kopf abspielt, sondern damit ist gemeint, dass Katja wirklich in diesem Buch ist. Würde jemand den Raum betreten, während Katja ihr Abenteuer erlebt, so würde er nur das aufgeschlagene Buch auf dem Tisch finden, Katja selbst würde sich nicht in diesem Raum befinden.

Diese Fähigkeit entdeckte Katja eher zufällig. Damals, sie war gerade 10 Jahre alt, las sie eine Kindergeschichte, und plötzlich, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, war sie mitten in der Geschichte. Sie erlebte alles hautnah, und erst, nachdem sie das Ende der Geschichte erreicht hatte, war sie zurück in ihrem Zimmer. Natürlich war die Abwesenheit von Katja nicht unbemerkt geblieben, weswegen sie später noch Ärger mit ihren Eltern bekam, die sich nämlich Sorgen um Katja gemacht hatten. Aber als Katja begriff, dass sie wirklich im Buch war, war ihr dieser Ärger ziemlich egal. Nach einigen weiteren Abenteuern bemerkte sie dann auch, dass ihr Aufenthalt in den Büchern immer genau eine Stunde betrug, egal wie viel Zeit während des Abenteuers verstrich, und so konnte sie natürlich ihre Abenteuer sehr gut planen, sodass die Eltern gar nicht mehr bemerkten, wenn sie wieder einmal für eine Stunde spurlos verschwunden war.

Und noch besser ist, dass Katja in dieser Bücherwelt nicht sterben kann. Also nicht wirklich sterben! Die Person, die sie in dieser Bücherwelt ist, kann schon während des Abenteuers sterben. Katja ist das aber erst zweimal passiert, und ehrlich gesagt, waren ihr diese zwei Sterbeszenen schon zu viel.

Ihr heutiges Abenteuer musste sie nun allerdings verschieben, aber irgendwie musste sie sich ihr Leben in dieser realen Welt ja finanzieren. Das Gute an Büchern ist aber, dass sie nicht einfach verschwinden können, und so kann sich Katja doch schon wieder freuen, denn das Abenteuer, das sie heute durch den Auftrag verpasst hat, kann sie jederzeit nachholen.

Thema geklaut bei der Blogparade von Cluewriting

6 Gedanken zu „Das Geheimnis der Hundesitterin – Kurzgeschichte

  1. Hi Sven
    Du wolltest Rückmeldung auf deine Kurzgeschichten damit du dich verbessern kannst. Da hätte ich das „dass und das“ für dich.

    Einmal hier:
    „waren ihr dass schon zwei Sterbeszenen zu viel, die sie erleben musste.“

    und

    „und so kann sich Katja doch schon wieder freuen, denn das Abenteuer, dasssie heute durch den Auftrag verpasst hat“

    Großschreibung würden hier auch ärger und sorgen gut stehen:
    weswegen sie später noch ärger mit ihren Eltern bekam, die sich nämlich sorgen um Katja gemacht hatten

    Ansonsten liest sich deine Geschichte mehr oder weniger flüssig und ich bin gespannt, was die Tage noch so ansteht. Denn den Paul habe ich auch bereits gelesen! 😉

    Guten Wochenstart.

  2. Hallo Sven,
    ich bin gerade erst durch die Zusammenfassung der clue Writing Blogparade auf deinen Beitrag gestoßen.
    Eine schöne Geschichte, nett erzählt. Hat mir Spaß gemacht zu lesen.
    Viele Grüße
    Ann-Bettina

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