Deutschland streitet. Nicht über die Milliarden zur Rettung spanischer Banken, wobei sie das natürlich auch tun, sondern über die Beschneidung aus religiösen Gründen. Ich streite schon die ganze Zeit mit und komme immer wieder an den Punkt, wo ich nicht verstehe, warum unbedingt so und nicht anders. Aber fangen wir von vorne an.
Vor einiger Zeit entschied ein Gericht in Köln, dass die religiöse Beschneidung eines Kindes eine Körperverletzung darstellt. Betroffen von diesem Urteil sind Juden und Moslems, da diese ihre männlichen Kinder beschneiden lassen. Das ist schon lange Tradition, aber im Mittelalter und auch lange davor war es ebenso Tradition, dass bestimmte Jungen kastriert wurden. Diese Tradition hat sich zum Glück nicht gehalten und warum dann nicht auch einmal über die Beschneidung nachdenken?
Ich weiß, der Vergleich hinkt, aber es gab sehr viele Traditionen, die wir irgendwann einmal hinter uns gelassen haben – und bei den meisten kann man sagen: „Zum Glück“. Übrigens zählt dazu auch das Verbot der weiblichen Beschneidung, auch wenn das eher ein Ritual aus Afrika ist, das aber durchaus auch religiöse Gründe hatte, in Afrika halt. Darüber streiten wir gar nicht, hier ist jedem klar, dass das Verbot richtig ist – und das ist es auch!
Aber bei der Beschneidung darf nicht diskutiert werden. Das schadet ja keinem, es ist halt nur ein Stückchen Haut, ein Fehler der Evolution, braucht doch keiner. Oder hat die Vorhaut vielleicht doch einen Sinn?
Aber auch darum geht es eigentlich nicht. Viel mehr geht es um das Kind. Hat das Kind ein Recht darauf selbst zu entscheiden, ob es die Beschneidung möchte? Oder hat ein Kind dieses Recht nicht? Wenn es das Recht nicht hat, warum hat es dieses Recht nicht? Und warum haben die Eltern das Recht zu entscheiden, dass das Kind nicht selbst entscheiden darf?
Nein, ich habe nichts gegen Religionen, aber sollte Religionsfreiheit nicht auch für ein Kind gelten? Sicherlich kann es sich später immer noch gegen seine Religion entscheiden, aber könnte eine Beschneidung nicht auch dann durchgeführt werden, wenn sich das Kind klar für die Religion entschieden hat? Und warum ist es für die Eltern so schlimm, wenn sie dem Kind die Entscheidung überlassen? Werden sie wirklich in ihrer Religionsausübung gehindert, sind sie etwa keine Juden oder Moslems mehr, wenn sie ihr Kind nicht beschneiden lassen? Oder ist es vielleicht nur die Angst davor, dass das Kind mit den Traditionen bricht und sich gegen eine Beschneidung entscheidet, wenn es denn selbst entscheiden darf?
Auf diese Fragen konnte mir bisher noch keiner eine Antwort geben. Es heißt halt immer, es ist eine Tradition und die Eltern werden in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt, wenn sie das Kind nicht beschneiden dürfen. Aber wird das Kind nicht auch in seiner Religionsfreiheit eingeschränkt, wenn sie nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht?
Fakt ist, dass es jährlich Babys gibt, die an den Folgen der Beschneidung sterben. Die Zahl ist äußerst gering, aber es gibt sie. Die Frage ist hier, ist eine Religion es wirklich wert, dass Kinder dafür sterben? Müssen Kinder wirklich leiden, obwohl sie es gar nicht wollten?
Ich weiß, dieser Artikel steckt voller Fragen und hat kaum Antworten. Aber wie soll ich diese Antworten geben? Ich bin nicht religiös. Meine Meinung ist, dass Kinder das Recht bekommen sollten, selbst zu entscheiden, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht. Das bedeutet natürlich, dass die Beschneidung verschoben werden muss, was bei den Moslems nicht wirklich ein Problem darstellt. Nur bei den Juden wird es schwierig, aber man kann ja auch als Erwachsener zum Judentum übertreten, da kann der Bund mit Gott doch sicher auch bis zum 14. Lebensjahr warten.
Sehr gute Denkanstöße, die du da bringst.
Ich bin Christ und es sind alles Fragen, die kein Gericht der Welt entscheiden sollte.
Ich bin auch bei jeder Religion sehr skeptisch was das „Hineingeboren werden“ angeht. Deine Eltern entscheiden in der Kindesphase über deinen Glauben.
Ich bin da zwiegespalten ob es richtig ist oder nicht. Ich werde mein Kind auch taufen lassen, aber ich werde ihm später die Freiheit geben selbst darüber zu entscheiden, ob es den christlichen Glauben beibehalten will. Es ist schließlich für jeden etwas anderes und es bleibte jedem selbst überlassen.
Etwas machen zu lassen wie die Beschneidung, das nicht mehr rückgängig geht halte ich für kritisch. Aber ich weiß nicht wie ich es sehen würde, wenn ich diesen Glaube hätte. Womöglich auch so, dass es gemacht werden muss.
Ich gehöre auch keiner Religion an, habe auch nicht viel Ahnung von Ritualen oder Traditionen. Nur finde ich solche Traditionen, die einen Eingriff ins Leben darstellen, völlig daneben. Natürlich sollen Kinder es selbst entscheiden und nicht die zur Religion gehörenden „Bevollmächtigten“. Gerade dein Ansatz, dass man ja dem Judentum als Erwachsener beitreten kann, wo einem die Entscheidung selbst gehört ob man sich beschneiden lässt, gefällt mir sehr gut. Würde man warten bis die Kinder dies selbst entscheiden können, würden diese zwar in ihrer Meinung auch größtenteils unterdrückt werden, aber es wäre schon ein Anfang in die richtige Richtung.
Heute gefunden, gelesen zum Thema:
http://www.taz.de/Kommentar-Beschneidungen/Kommentare/!c97874/
Religion war schon immer und wird auch immer ein heikles Thema bleiben. Ich persönlich bin nicht religiös, respektiere aber den Glauben anderer bis zu einem gewissen Punkt. Dieser Punkt wird überschritten, sobald meine Meinung (oder die anderer) nicht mehr akzeptiert wird oder man anderen Schaden zufügt. Zu letzterem zähle ich auch die Beschneidung bei Jungen und Mädchen, die dies wehrlos über sich ergehen lassen müssen. Es ist jedem Menschen selbst überlassen dies als Erwachsener durchführen zu lassen, aber einem Kind dies aufzuzwingen hat meiner Meinung nach nichts mehr mit der Nächstenliebe etc. zu tun, die alle Religionen so predigen!
Ich mach es kurz:
Beschneidungen sind absolut inakzeptabel, wenn sie nur aus religiösem Interesse durchgeführt werden. Welchen Sinn soll das nur haben? Ich kann es nicht nachvollziehen! Es ist reinste Körperverletzung, die bestraft werden sollte und das nicht zu gering.
Wenn ein medizinischer Grund vorliegt, ist ein solcher Eingriff allerdings durchaus gerechtfertigt.
[…] Teufel100Dies und Das, PolitikDer Bundestag hat jetzt also einen guten Entwurf, um die Körperverletzung an männlichen Neugeborenen schnellstmöglichst wieder rechtssicher zu machen. Rechtssicher für die Eltern, die sonst in ihrer […]