Papptrinkbecher

Letztens, bei einem Auftrag in einem Supermarkt, hatte ich eine kurze Diskussion mit einem anderen Auftragnehmer. Es ging um die Special Olympics, die ja dieses Jahr hier in Berlin stattgefunden haben und endete dann in einer Diskussion über sportliche Leistungen von Frauen und Männern. Das passierte in unter fünf Minuten und konnte nicht ausdiskutiert werden, weil das einfach schwierig ist, wenn in der Zwischenzeit auch noch Kund*Innen beraten werden sollen.

Das ist traurig, weil ich so meine Argumente nicht wirklich rüberbringen konnte und am Ende einfach nur hängen bleibt, dass ich bestreite, dass Männer im Sport Leistungsfähiger wären als Frauen. Ist natürlich falsch. Ich habe mal eine Suchmaschine befragt und herausgefunden, dass Männer in der Spitze ungefähr 10 Prozent mehr Leistung im Sport erbringen können als Frauen, was auf körperliche Unterschiede zurückzuführen ist. 10 Prozent ist natürlich schon viel, aber wir reden hier halt wirklich von Spitzensport. Eventuell würde hier sogar einwerfen, dass das wahrscheinlich auch daran liegt, dass die Trainingsmethoden auf Männer optimiert wurden und nicht auf Frauen. Genau da sind wir dann auch bei der Diskussion, die ich eigentlich gerne geführt hätte.

Ausgangspunkt war, dass ich von fehlender Wertschätzung sprach. Auf diese fehlende Wertschätzung kam ich, weil ich letztes Jahr bei der Probeveranstaltung für die Special Olympics geholfen habe, und dort kaum Zuschauer*Innen kamen. Ich fand das traurig, weil ich glaube, dass auch Menschen mit einer Behinderung die Wertschätzung für ihren Sport erfahren sollten, indem sie von Fans von Außen angefeuert und unterstützt werden. Von diesem Punkt kamen wir dann auf Frauenfußball und auch hier geht es um fehlende Wertschätzung.

Hier wollte der andere Diskussionsteilnehmer darauf hinaus, dass diese fehlende Wertschätzung auf die geringere Leistungsfähigkeit der Frauen zurückzuführen ist und das war der Punkt, wo ich verneinte, dass die Frauen eine geringere Leistung erbringen. Ich brachte sogar das Argument vor, dass es durchaus Fußballerinnen gibt, die mit dem Niveau der Bundesliga mithalten könnten. Ich stehe dazu, auch wenn es diesen „natürlichen“ Leistungsunterschied gibt. Ich bin mir sicher, dass mir hier viele widersprechen werden, damit kann ich leben, weil das halt eben nicht der Punkt ist, auf den ich hinaus wollte. Wir können gerne im Weiteren davon ausgehen, dass es durch den natürlichen Leistungsunterschied eben keine Frau gibt, die in einer Männermannschaft mithalten könnte, damit kann ich durchaus leben.

Es liegt nämlich nicht an diesem Leistungsunterschied, dass Frauen lange kämpfen mussten, um überhaupt Fußball spielen zu dürfen. Es liegt auch nicht an der Leistung, dass es lange Zeit keine Profiligen gab, wo die Frauen ihren Lebensunterhalt nur durch den Fußball hätten verdienen können. Es liegt auch nicht an diesem Leistungsunterschied, dass die Entwicklung im Frauenfußball um Jahrzehnte hinter der Entwicklung im Männerfußball hinterher hängt. Es ist doch das patriarchale Weltbild, welches über Jahrhunderte gepflegt wurde und welches immer noch gepflegt wird, durch das all diese Probleme geschaffen wurden. Es ist nicht der Leistungsunterschied, es ist doch viel mehr die generelle Abwertung, die Frauen in fast allen Gesellschaften erleiden mussten und weiterhin müssen, durch die diese fehlende Wertschätzung entstanden ist.

Männerfußball konnte über Jahrzehnte die komplette Aufmerksamkeit der Fans auf sich ziehen, weil es gar keine Konkurrenz durch den Frauenfußball gab. Der Frauenfußball hatte also gar keine Chance, diese Aufmerksamkeit durch Leistung auf sich zu lenken, konnte gar keinen fairen leistungsbezogenen Wettbewerb um die Gunst der Fans führen. Fußball war ein Männersport – nein, in vielen Köpfen ist er immer noch ein Männersport – und hat viel dafür getan, dass das auch in den Köpfen der Fans so verankert ist. Das ist in vielen anderen Sportarten genauso, oder warum gibt es noch immer keine weibliche Formel1-Rennfahrerin? Deswegen ist es schwierig zu sagen, dass die mangelnde Wertschätzung nur auf den Leistungsunterschied zurückzuführen ist! Deswegen bestreite ich auch, dass das so ist! Und genau aus diesem Grund habe ich mich in der kurzen Diskussion auch auf meine obige Aussage eingelassen, ohne aber die Möglichkeit zu haben, diese Aussage zu begründen.

Genauso sieht es bei Menschen mit Behinderung aus. Auch hier ist diese Abwertung in der Gesellschaft tief verankert und die fehlende Wertschätzung kommt auch hier genau durch diese Abwertung. Natürlich ist die Leistung nicht mit Bundesligafußball vergleichbar, aber darum geht es ja nicht. Es geht darum, dass durch die Abwertung und Ausgrenzung von Gruppen, welches auch mit Verboten einherging, sich die ganze Aufmerksamkeit für bestimmte Sportarten nur auf den Männerbereich verteilen konnte, und somit auch die Beliebtheit! Oder, in diesem Absatz hier, halt auf die Gruppe von Menschen ohne Behinderung!

Und all diese Vorurteile, die dazu geführt haben, all die Unterdrückung von Gruppen, all die stereotypen Rollenbilder, die sind tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Deswegen wird – bleiben wir einfach beim Frauenfußball – dieser auch weiterhin abgewertet. Deswegen wird oft genug in Abrede gestellt, dass das überhaupt richtiger Fußball ist, der da gespielt wird und genau deswegen kommt es zu dieser fehlenden Wertschätzung. Am Ende ist sie ja nichts anderes, als die Fortsetzung der Abwertung von verschieden Gruppen. Und diese hat eben nichts mit dem Leistungsunterschied zu tun, sondern mit den Schubladen, in denen wir als Gesellschaft denken!

Das ist der Punkt, den ich gerne in der Diskussion gebracht hätte, wenn es die Zeit zugelassen hätte, wenn da nicht diese Kunden gewesen wären, die eine Beratung gebraucht haben. Dann hätte ich nämlich auf den Leistungsunterschied zurückkommen können. Und hätte von fehlenden Vorbildern sprechen können, die natürlich auch für die Leistungsentwicklung im Frauenbereich wichtig wären. Dann hätte ich auch darauf eingehen können, dass es am Ende nicht entscheidend ist, ob Männer und Frauen in den direkten Vergleich treten, sondern dass die fehlende Wertschätzung in der Unterdrückung liegt, die es über Jahrhunderte gab und die eben noch tief in den Köpfen verankert ist. Und wenn ich darauf hätte eingehen können, dann erschließt sich auch, warum es unwichtig ist, ob Frauen auf Bundesliga-Niveau Fußball spielen können oder nicht, weil dieser Vergleich unwichtig ist, um die fehlende Wertschätzung zu erklären.

Edit: Zwei Artikel hinzugefügt, die mir der Matze im Fediverse zugeschickt hat und die passender nicht sein könnten.

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