Böllerverbot! Ich mag das Wort schon nicht mehr lesen! Nicht, weil ich unbedingt Feuerwerk zu Silvester brauche, sondern eher, weil diese Debatte schon wieder so geführt wird, dass sich die eine Seite der anderen Seite überlegen fühlt. Dabei gibt es gute Argumente dafür, mit dem Feuerwerk zu Silvester in seiner jetzigen Form aufzuhören, dazu muss es aber eine gesellschaftliche Debatte geben. In diese kommen wir aber nicht, wenn wir einfach etwas verbieten wollen, weil es uns persönlich nicht gefällt. Es wird auch nicht gelingen, den anderen Egoismus vorzuwerfen, wenn es unser eigener Egoismus ist, der nach einem Böllerverbot schreit.
Ich selbst kaufe mir kein Feuerwerk, ich brauche es nicht, mir wäre das Geld dafür viel zu schade. Dennoch kann ich nicht bestreiten, dass es auch auf mich eine gewisse Faszination ausübt, wenn der Himmel bunt leuchtet, wenn dort rote, gelbe, weiße Sterne vom Himmel fallen. Dass der Lärm und der Feinstaub, der dabei entsteht, weder für uns noch für die Tierwelt gut ist, darüber brauchen wir gar nicht zu streiten. Auch nicht darüber, dass das Abbrennen von Feuerwerk gefährlich ist und einige es sogar als Waffe gegen andere Menschen oder Tiere einsetzen. Wir müssen aber darüber streiten, wie wir eine Veränderung des Ist-Zustandes einläuten möchten!
Wir könnten ja einfach mal miteinander ins Gespräch kommen, Verständnis für die Faszination Feuerwerk zeigen, auch wenn wir sie selbst vielleicht nicht verspüren und dann darüber reden, ob sich diese Tradition nicht verändern lässt. Angebote machen, Alternativen aufzeigen. Klar, damit sind nicht alle zu überzeugen, aber vielleicht bildet sich daraus ein Konsens, der für beide Seiten einen gangbaren Weg liefert. Das kostet Zeit, die Veränderung ist nicht von jetzt auf gleich zu erreichen, aber die Lösung, die gefunden wird, ist sehr viel nachhaltiger als ein Verbot, weil alle diese Lösung tragen können, weil es dann keine Verlierer*Innen gibt, sondern beide Seiten etwas gewinnen.
Ein Verbot ist natürlich sehr viel bequemer. Es erspart das Nachdenken über Alternativen und es spart natürlich auch eine Menge Zeit. Es verhindert aber zugleich auch den Ausgleich, lässt Menschen zurück, verstärkt das Bilden von Gruppen, die sich von der Demokratie abwenden. Ein Verbot, welches nicht aus einem Konsens entsteht, bringt neben Gewinner*Innen auch Verlierer*Innen mit sich. Verlierer*Innen, die sich radikalisieren, die sich von der Demokratie nicht gesehen fühlen! Es bringt neuen Hass, neue Abgrenzungen, neuen Wut.
Klar, die letzten Jahre haben gezeigt, dass das mit der Eigenverantwortung irgendwie schwierig ist. Genauso haben die letzten Jahre aber auch gezeigt, dass wir als Gesellschaft eine riesige Bildungslücke im Bereich Demokratiebildung haben. Wir rufen nach autoritären Lösungen, weil wir nicht fähig sind, in eine Debatte zu gehen, um gesellschaftliche Konsens-Lösungen zu finden. Ein Mehrheitsentscheid ist übrigens kein Konsens! Kurzfristig mag es manchmal nötig sein, dass es schnelle autoritäre Entscheidungen gibt, um zum Beispiel bestimmte Bevölkerungsgruppen schnell zu schützen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Entscheidungen nicht später durch einen gesellschaftlichen Konsens ersetzt werden können, sobald diese Debatte geführt wurde.
Dazu müssen wir aber lernen, anderen Menschen zuzuhören. Wir müssen lernen, andere Menschen auch wirklich verstehen zu wollen und nicht einfach deren Argumente wegwischen, weil sie nicht zu unserer Meinung und Überzeugung passen. Hinhören, miteinander reden, offen sein und bereit sein, am Ende einen Konsens zu finden. Das können wir als Gesellschaft nicht! Es verwundert mich aber auch nicht, treffen doch eigentlich immer andere die wichtigen Entscheidungen. Lehrer*Innen und Eltern in der Kindheit, die Vorgesetzten im Arbeitsleben und die Politiker*Innen in gesellschaftlich wichtigen Fragen. Unsere Entscheidungen betreffen meist nur uns selbst, manchmal unsere Familien und ab und an auch Freunde und Bekannte.
Davon müssen wir weg, müssen dazu aber auch unsere eigene Art in einer Diskussion reflektieren, auch wenn wir sie schon häufiger geführt haben und wir eigentlich nur noch genervt sind.
Vielleicht gibt es irgendwann zu Silvester kein Feuerwerk mehr in der Form, wie wir es heute kennen. Im Idealfall deswegen, weil wir ins Gespräch gekommen sind und einen gemeinsamen Weg gefunden haben, der für alle einen Ausgleich bringt. Im schlimmsten Fall wieder mit Menschen, die sich von der Demokratie abwenden, weil sie sich als Verlierer*Innen fühlen.