Friedrich Merz spricht davon, dass wir als Gesellschaft in einem dauerhaften Gespräch einen gemeinsamen Weg finden müssen. Er hat tatsächlich auch recht, wenn er sagt, dass eine lebendige Demokratie davon lebt, dass die Menschen miteinander diskutieren und streiten. Nur braucht es zu Kommunikation auch Kanäle, in die die Bürger*Innen vertrauen haben, weil sie wissen, dass die dort geführten Gespräche vertraulich sind und diese Gespräche eben nicht von staatlichen Institutionen mitgelesen werden könnten.

Wenn Merz also möchte, dass das Misstrauen zwischen den Bürger*Innen und Politiker*Innen abgebaut wird, dann sollte seine erste Handlung sein, die Chatkontrolle endgültig zu beerdigen und so zu zeigen, dass die Politiker*Innen ihren Bürger*Innen vertrauen und sie die Wichtigkeit erkennen, dass die Kommunikation vertraulich sein muss, damit die Demokratie lebendig sein kann. Er muss jetzt zeigen, dass es nicht darum geht, die Bürger*Innen unter einen Generalverdacht zu stellen, sie zu Akteuren zu machen, vor denen der Staat geschützt werden muss!

Dieser Gedanke ist eh falsch, denn der Staat, das sind die Menschen, die diesen bilden. Gäbe es keine Menschen mehr in Deutschland, dann gäbe es Deutschland als Staat nicht mehr, um das einfach mal so zu formulieren. In einer Demokratie braucht es tatsächlich Transparenz, aber eben keine transparenten Bürger*Innen, sondern es braucht transparente staatliche Institutionen, also auch transparente Parlamente, damit die Bürger*Innen informierte Entscheidungen treffen können und gesellschaftliche Diskussionen überhaupt möglich werden, damit es eine Grundlage gibt, auf der dann gestritten werden kann.

Eine Chatkontrolle wäre also der komplett falsche Weg, denn die Demokratie kann nur dann leben, wenn Menschen gemeinsame Gedanken formulieren können, ohne dabei Angst haben zu müssen, dass es staatliche Institutionen gibt, die diese mitlesen könnten. Diese Angst führt nämlich am Ende dazu, dass sich die Menschen selbst zensieren, obwohl es um absolut legitime Gedanken geht. Das wäre der Todesstoß für eine Demokratie, weil gute und legitime Gedanken und Ideen so nie das Licht der Welt erblicken würden!

Jetzt weiß ich natürlich, dass es Menschen gibt, die der Meinung sind, dass sie nichts zu verbergen hätten, aber das ist halt falsch! Es geht darum, in geschützten Räumen Gedanken austauschen zu können, auch mal die Möglichkeit zu haben, ein Ventil zu öffnen, um Dampf ablassen zu können. Es geht nicht darum, irgendwelche Verbrechen zu verbergen, sondern darum, Ideen einen Raum geben zu können, in denen sie erst einmal gedeihen können, ohne gleich durch staatliche Repressionen daran gehindert zu werden. Verhindert durch Selbstzensur, die aus Angst vor Nachteilen entsteht, die durch staatliche Repressionen entstehen könnten.

Hinzu kommt, dass die Chatkontrolle nicht fehlerfrei ist und es auch nie werden wird. Da besteht dann auch die Möglichkeit, dass der einfache Familienchat gemeldet wird, weil hier Bilder geteilt werden, die einen falschen Alarm auslösen und die dadurch dann zu einem Alptraum für die Familie werden könnten. Auch das spricht dagegen, solch ein Werkzeug einzuführen.

Das stärkste Argument gegen ein solches Werkzeug sollte aber unsere Vergangenheit sein! Ein Werkzeug, welches es einer möglichen faschistischen und autoritären Regierung sofort ermöglicht, die gesamte private Kommunikation zu überwachen, um so Gegner*Innen aufzuspüren und diese mit Repressionen zu überziehen! Wir sehen in den USA gerade live, aber auch in der EU, wohin sich unsere Gesellschaften gerade entwickeln und wer die Demokratie nicht komplett kampflos aufgeben möchte, sollte jetzt Werkzeuge schaffen, die die vertrauliche Kommunikation stärken und nicht Werkzeuge, die eine totale Überwachung ermöglichen, sobald diese erst einmal auf den Geräten der Bürger*Innen installiert sind! Es braucht Werkzeuge, die auch dann noch eine vertrauensvolle Kommunikation ermöglichen, wenn die Faschist*Innen an der Macht sind. Kanäle, die auch dann noch den Austausch von Ideen und Gedanken ermöglichen, wenn es Autokrat*Innen verhindern möchten!

Wenn Merz also Misstrauen abbauen will, sollte er jetzt Vertrauen aufbauen, indem er die digitale Kommunikation schützt, indem er die Vertraulichkeit von digitaler Kommunikation stärkt, um so den Ideen- und Gedankenaustausch in einer lebendigen Demokratie zu schützen.

2 Gedanken zu „04.10.2025: Friedrich Merz, Demokratie und Chatkontrolle

  1. Im Grundsatz stimme ich dir zu. Dennoch meine ich, dass manche überzogenen Datenschutzforderungen ihren Anteil daran haben, dass wir heute an diesem Punkt stehen. Uns fehlt oft die richtige Balance – auch, weil die zunehmende Polarisierung ihren Preis hat, gerade wenn es um die Meinungsfreiheit geht.

    • Also, natürlich kann der DSGVO vieles vorgeworfen werden, sie ist sicher auch ein Hemmnis für digitale Innovationen, warum diese jetzt aber Schuld daran trägt, dass die EU ein Werkzeug etablieren will, mit dem die gesamte digitale Kommunikation überwacht werden kann, erkenne ich tatsächlich (noch) nicht. Die staatlichen Institutionen haben schon jetzt genügend Werkzeuge in der Hand, um Verbrechen aufzuklären, es kann aber eben nicht sein, dass in einer freiheitlichen Gesellschaft alle Werkzeuge genutzt werden, die möglich wären, gerade weil eine Gesellschaft dadurch unfrei wird. Unfrei, weil sie sich selbst zensiert, weil sie – wie ich es oben schon schrieb – Gedanken nicht mehr gemeinsam denken kann. Es muss also Abwägungen geben und es muss eben auch Werkzeuge geben – und so ein Werkzeug ist die DSGVO – die den Bürger*Innen Mittel in die Hand legen, um Angriffe von staatlichen Institutionen abwehren zu können, damit die Bürger*Innen am Ende eben nicht zu gläsernen Menschen werden. Eventuell ist das der Punkt, den du ansprichst, wenn du die DSGVO ins Spiel bringst.

      Du sprichst ja auch von der richtigen Balance und ich glaube, dass es die nicht mehr gibt. Nicht, weil wir die DSGVO haben, sondern, weil die Politik in den letzten Jahrzehnten extrem viele Überwachungsmöglichkeiten eingeführt hat, die ein Ungleichgewicht in Richtung staatliche Institutionen geschaffen hat.

      Ich bin kein Fan von allem, was die DSGVO so mit sich bringt, aber sie hat durchaus dafür gesorgt, dass sich Unternehmer*Innen einmal Gedanken über die Daten machen, die sie erheben und dass diese sich auch Gedanken über die Datensicherheit machen. Ganz plump gesagt: Sie speichern nicht mehr alles in einer Excel-Datei, die dann für alle Mitarbeiter*Innen öffentlich ist. Kurz gesagt, die DSGVO hat – auch wenn sie an einigen Stellen doch ziemlich extrem ist – sehr viel mehr Vorteile für alle Bürger*Innen als Nachteile.

      Jetzt habe ich wieder viel zu viel geschrieben, aber ich glaube, dass das ungefähr die Richtung war, in die dein Kommentar gerichtet war.

      PS: Ach so zur Polarisierung habe ich gerade ein interessantes Gespräch gehört. Die ist gar nicht unbedingt negativ, aber da setze ich jetzt einfach den Link –> https://www.deutschlandfunkkultur.de/polarisierung-demokratie-lebt-vom-konflikt-100.html

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