„Die Leute zögern zu spenden, weil sie sich nicht sicher sind, was die Obdachlosen mit dem Geld machen.“

Zitat aus dem Artikel von Deutschlandfunk Nova

Es gibt jetzt in England also eine App, mit deren Hilfe an obdachlose Menschen per Smartphone eine Spende gesendet werden kann. Wäre soweit erst einmal nichts Schlimmes, wenn diese App nicht auch noch zur Überwachung dieser obdachlosen Menschen dienen würde. Denn der Spender kann sehen, wofür das Geld verwendet wird, viel schlimmer noch, es ist meist direkt zweckgebunden, soll heißen, die obdachlosen Menschen können nicht selbst entscheiden, was mit dem Geld geschieht. Aber das reicht noch nicht, es geht nämlich noch einen Schritt weiter. Die Menschen werden nicht nur entmündigt, sie werden auch zu Touristenattraktionen gemacht. Sie tragen eine Marke mit einem Strichcode, der vom potentiellen Spender eingescannt wird, und wo der Spender dann die Geschichte des obdachlosen Menschen nachlesen kann. Eine Jagd auf Schicksale, eine neue Art des Voyeurismus, die das Schicksal dieser Menschen öffentlich zugänglich macht.

Zeit spenden

Wer etwas über das Schicksal von obdachlosen Menschen erfahren möchte, der sollte ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenken, mit ihnen Reden, sich die Geschichte erzählen lassen. Auch über die Pläne für die Zukunft kann in einem solchen Gespräch gesprochen werden, bei einem Essen oder einem Kaffee. Dazu braucht es keine App, dazu braucht es keinen Voyeurismus, der dann eventuell zu einer Spende führt, über die die obdachlosen Menschen dann nicht einmal frei verfügen können.

Die Idee hinter der App mag ja gut gemeint sein, aber sie ist eher sehr schlecht umgesetzt. Gegen ein Konto für diese Menschen, zu dem sie uneingeschränkt Zugang haben und wo sie über das Geld frei verfügen können, wäre nichts zu sagen. Auch nicht zu einer Verknüpfung mit einer App, über die dann Bargeldlos gespendet werden kann, ebenso wenig. Aber alles andere geht über das Ziel hinaus.

Bevormundung und Erziehung zu gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensformen

Diese App, so wie sie hier gestaltet ist, ist zur Bevormundung von Menschen gedacht. Sie nimmt den Menschen noch den letzten funken Stolz, lässt sie noch weiter absinken, weil sie nur dann, wenn sie sich durch den Spender bevormunden lassen, Geld bekommen. Viel wichtiger wäre aber Vertrauen und Zeit! Vertrauen darin, dass diese Menschen sinnvolle Entscheidungen treffen, dass sie wissen, wofür sie das Geld am dringendsten brauchen. Zeit, um sie bei ihren Zielen und Plänen zu unterstützen. Es ist total unwichtig, wofür diese Menschen das Geld am Ende ausgeben, und wenn sie es für Alkohol ausgeben, dann geben sie es eben für Alkohol aus. Das ist dieser letzte Rest von Selbstbestimmung in ihrem Leben, wobei eine Sucht das Leben eventuell auch fremdbestimmt, aber die Entscheidung von dieser Sucht weg zu kommen, muss jeder Mensch alleine und selbstbestimmt treffen.

Die App aber möchte erziehen, sie will obdachlose Menschen zu gesellschaftlich akzeptierte Verhaltensformen zwingen. Sie will sie in eine Gesellschaft zurückholen, die diese Menschen vorher hat scheitern lassen, die dazu beigetragen hat, dass diese Menschen scheitern. Sicher will diese App den obdachlosen Menschen eine neue Chance geben, aber eben keine selbstbestimmte Chance, sondern eine Chance, die klar durch die Gesellschaft vorgegeben wird, die überprüfbar ist und die bei einem erneuten Scheitern die Gesellschaft von der Schuld befreit, weil sie ja versucht hat, diesem Menschen zu helfen, sie ihm ja den richtigen Weg gezeigt hat. Oder zumindest den Weg, der von der Gesellschaft akzeptiert ist.

Es ist eine App, die den Kosten-Nutzen-Faktor für die Gesellschaft optimieren soll. Eine Spende, die nicht zweckgebunden ist, steht diesem Kosten-Nutzen-Faktor entgegen, denn der Nutzen für die Gesellschaft könnte gegen null gehen, wenn die obdachlosen Menschen das Geld nicht so nutzen, wie es sich der Spender vorstellt. Es ist genau das, was von einem Wirtschaftsstudenten zu erwarten ist, denn in den Wirtschaftswissenschaften ist der Faktor Mensch nur ein Kostenfaktor und eben kein Mensch.

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