Der Straßenverkehr in Berlin ist ein Kriegsschauplatz. Dieser Satz liegt mir jetzt schon mehrere Wochen auf der Zunge und ich wollte schon lange einen Artikel dazu schreiben. Ein Kommentar im Tagesspiegel ist es jetzt, der aus dem passiven Wollen ein aktives Schreiben macht. Deswegen, weil der Kommentar nur eine Facette des Problems aufgreift, der durchaus richtig ist, aber eben vieles ausblendet.

Ich bin Fußgänger, Radfahrer und ab und an auch Autofahrer in Berlin. Ich bekomme aus allen drei Perspektiven mit, wie sich andere Verkehrsteilnehmer benehmen und wie wichtig es dadurch wird, nicht immer auf sein Recht zu bestehen, weil das sonst zu Unfällen führen würde. Wenn ich an einer Ampel zum Beispiel langsamer anfahre, weil ich sehe, dass dort noch jemand unbedingt abbiegen muss, obwohl seine Ampelphase schon längst wieder auf Rot ist. Der Autofahrer neben mir aber nur noch Routinen ablaufen lässt, bei Grün voll beschleunigt und den Unfall mit dem Abbieger dann nur mit sehr viel Glück verhindern kann. Dann sehe ich da diesen Kriegsschauplatz. Der eine will ein wenig Zeit sparen und Riskiert dabei sein Leben und das Leben eines anderen und eben dieser andere will unbedingt auf sein Recht bestehen, und riskiert dadurch ebenfalls sein Leben.

Oder ich stehe mit dem Fahrrad an der roten Ampel und schaue allen anderen Radfahrern dabei zu, wie sie eben diese rote Ampel ignorieren. Und das machen sie nicht nur, wenn sie alleine auf dem Fahrrad sind, nein, sie machen es auch, wenn noch ein Kindersitz am Fahrrad montiert ist, in dem dann meist auch ein Kind sitzt. Und es sind nicht nur rote Ampeln, es sind auch die Situationen, wo unbedingt noch vor einer Straßenbahn die Schienen überquert werden müssen.

Oder ich stehe als Fußgänger an der Ampel, habe eigentlich schon Grün und kann dennoch nicht über die Straße gehen, weil es da Radfahrer gibt, die selbst dann nicht abbremsen, wenn andere Vorrang haben.

Was nutzen mehr Warnsignale, wenn sie ignoriert werden?

Ich könnte noch vieler solcher Dinge aufzählen. Dinge, die mich Kopfschüttelnd zurück lassen, weil diese Ignoranz und diese Selbstsucht mich irritiert. Es geht meist um ein paar Sekunden, die diese Menschen schneller sind. Für ein paar Sekunden riskieren diese Menschen ihr ganzes Leben. Ein paar Sekunden schneller, wenn alles gut läuft und ein paar Jahrzehnte weniger Lebenszeit, wenn es dann doch schief geht. Da werden Ampeln ignoriert, Vorfahrtregeln missachtet und andere Menschen gefährdet, nur weil dadurch ein paar Minuten Zeit eingesparrt werden können.

Und dann ist halt die Frage, was mehr Warnsignale bringen sollen, wenn sie am Ende eh ignoriert werden?

Mehr Sicherheit würden sie nur bedeuten, wenn sie respektiert werden. Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten, wenn Menschen konzentriert und achtsam am Straßenverkehr teilnehmen und auch die Rechte der anderen Verkehrsteilnehmer respektieren. Dann würden sie mehr Sicherheit bedeuten.

Und auch ohne neue Signale könnte mehr Achtsamkeit für mehr Sicherheit sorgen. Wenn ich als Radfahrer zum Beispiel weiß, dass LKWs einen toten Winkel haben, dann ist es eben sicherer an der Ampel hinter dem LKW zu bleiben, besonders dann, wenn dieser auch noch signalisiert, dass er abbiegen möchte. Dann muss ich halt im Notfall noch eine zweite Rotphase abwarten, aber dafür habe ich dann noch ein paar Jahrzehnte meines Lebens vor mir. Der Zeitgewinn, für den wir dort unser Leben riskieren, ist meist marginal.

Vorbild sein

Im Artikel geht es um die beiden Kinder, die innerhalb eines Tages in Berlin ihr Leben verloren haben. Das ist schrecklich! Aber schrecklich ist eben auch, dass das durch Fehlverhalten verursacht wird, welches ihnen täglich von den vermeintlich erwachsenen Verkehrsteilnehmern vorgelebt wird. Wie sollen Kinder das richtige Verhalten im Straßenverkehr erlernen, wenn sich ansonsten kein Verkehrsteilnehmer an die Regeln hält? Wie sollen Kinder sich fehlerfrei im Straßenverkehr verhalten, wenn sie an jeder Ampel sehen, wie andere Verkehrsteilnehmer bei Rot über die Ampel fahren oder gehen? Das funktioniert nicht! Nur dann funktioniert es eben auch dann nicht, wenn es mehr Warnsignale gibt.

Es ist schrecklich, dass dieser Krieg von Egoisten meist unschuldige Opfer fordert. Kindern kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich von den Erwachsenen ein fehlerhaftes Verhalten abschauen. Erwachsene sind Vorbilder für Kinder und sie sollten sich eben auch so verhalten. Dieser Egoismus, der da im Straßenverkehr gelebt wird, der ist eben nicht nur für einen selbst schädlich, er ist es meist auch für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich für die Kinder.

Ein Gedanke zu „Kriegsschauplatz Straßenverkehr

  1. Großartiger Artikel. Ich setz e mich derzeit auf meiner Seite auch mit diesen Themen auseinander. Deutlich wird, dass das Fahren ein komplexer psychologischer Vorgang ist, der bis heute nicht wirklich erforscht ist. Dem entsprechend schlecht sind die Fahrausbildungen. Verkehrserziehung findet ja doch nur rudimentär in der Schule statt. wer nie eine Fahrschule besucht hat, ist meist vollkommen unwissend ob der Regeln und vor allem der Gefahren. Aus Sicht eines Lkw-Fahrers stellt sich die Problematik mit Radfahrern oder anarchischen Fußgängern noch viel gravierender dar.

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