Sencha-Tee in der Teeschale

In letzter Zeit höre und lese ich öfter vom mangelnden Respekt der jüngeren Menschen. Mangelnder Respekt gegenüber Autoritätspersonen, mangelnder Respekt gegenüber älteren Menschen und so weiter und so fort.

Respekt, das ist auch kein neues Thema hier im Blog. Es gibt ein paar Blogartikel, die dieses Thema zumindest streifen. Allerdings stellt sich mir in letzter Zeit dann doch häufiger die Frage, was eigentlich gemeint ist, wenn über fehlenden Respekt gesprochen oder geschrieben wird.

Was hat Respekt zum Beispiel mit der Aussage gemein, dass eine jüngere Person als Kind wohl die ein oder andere Watsche hätte mehr bekommen müssen? Ist Respekt etwas Autoritäres, was mit Gewalt in die Köpfe von jungen Menschen gebracht werden muss? Ist Respekt wirklich gleichzusetzen mit der Angst vor Gewalt, wenn die andere Person nicht umgehen kann mit dem vorgebrachten Widerspruch oder wenn ihr die ausgeführte Handlung nicht gefällt?

Sollte Respekt nicht eher auf Vertrauen aufbauen? Auf Augenhöhe und im Bewusstsein, dass das Gegenüber ebenso respektvoll einem selbst gegenüber handelt?

Wenn sich ein Kind nicht nach Hause traut, weil es etwas Falsches gemacht hat, und deswegen mit einer gewalttätigen Reaktion der Eltern rechnen muss, ist das Respekt? Oder bedeutet Respekt nicht viel mehr, dass sich das Kind dennoch nach Hause traut, weil es Vertrauen in seine Eltern hat? Weil es weiß, dass die Personen, die da zu Hause warten, nicht mit Gewalt reagieren? Dass es dort zu Hause einen gemeinsamen, respektvollen Umgang gibt. Dass es ein Ort ist, an dem über Fehler gesprochen wird, um diese zu reflektieren und um daraus zu lernen?

Ja, Erziehung ist auch ohne Gewalt möglich! Es ist anstrengender, weil die eigenen Regeln und Entscheidungen von den Kindern öfter einmal hinterfragt werden. Weil sich dadurch Streitgespräche entwickeln, die auf einer respektvollen Ebene stattfinden müssen und das ein Lernprozess sowohl für die Eltern als auch für die Kinder ist. Ein Lernprozess für die Eltern, da diese ja auch einmal Kind waren und hier mit großer Wahrscheinlichkeit eine autoritäre Erziehung genossen haben. Weil sie diese autoritäre Erziehung erst einmal verlernen müssen, um mit ihren Kindern auf Augenhöhe in Streitgespräche gehen zu können. Davon profitieren dann nicht nur die Familien, sondern es profitiert auch unsere Gesellschaft, die dadurch Menschen bekommt, die Streiten können, ohne sich persönlich anzugreifen. Menschen, die eine demokratische Gesellschaft also auch demokratisch gestalten können.

Aber das ist ein anderes Thema und es sind Gedanken von einem Menschen, der selbst keine Kinder hat, der also selbst diese Gedanken nie erproben und dann auch durchhalten musste. Den Gedankengang musste ich aber kurz mit aufnehmen, weil Familien durchaus diese Veränderungen durchlaufen, wodurch selbstbewusstere Kinder heranwachsen. Und damit komme ich dann wieder zurück zum Thema Respekt.

In vielen Fällen, wenn über den mangelnden Respekt gesprochen wird, habe ich das Gefühl, dass es nicht um Respekt geht. Mein Gefühl ist, dass das steigende Selbstvertrauen der jungen Menschen das eigentliche Problem ist. Der gesteigerte Wille zum Widerspruch, wenn sie etwas anders sehen. Dieser Widerspruch wird dann von den älteren Menschen als Angriff auf ihre Autorität gewertet. Und da ja anscheinend Autorität gleichgesetzt wird mit Respekt, wird es als ein respektloses Handeln verstanden.

Sicher haben ältere Menschen schon mehr Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt. Sie haben aber auch schon mehr Routinen entwickelt, welche sie selbst dann nicht mehr hinterfragen. „Haben wir schon immer so gemacht!“, ist dann die Aussage, wenn ein jüngerer Mensch mit Vorschlägen kommt, um etwas anders zu machen. Eben, weil er diese Routinen noch nicht entwickelt hat und somit einen anderen Blickwinkel einnehmen kann. Respektvoll wäre es jetzt, wenn beide Seiten ihre Positionen auf Augenhöhe austauschen könnten, ohne dass die ältere Person ein Machtwort spricht, sich also autoritär verhält. Respektlos wäre es, wenn die ältere Person eben dieses Machtwort spricht, nicht aber der Widerspruch des jungen Menschen, der mit neuen Ideen und neuen Blickwinkeln unsere Gesellschaft verbessern möchte.

Was ist also Respekt? Ist es etwas Autoritäres? Etwas, was einseitig von jüngeren Menschen gegenüber älteren Menschen erbracht werden muss? Oder ist es etwas, was sich Menschen durch ihr Handeln verdienen? Funktioniert Respekt nicht vielleicht sogar nur, wenn sich Personen auf Augenhöhe befinden? Ohne Angst vor einem Machtgefälle oder vor Gewalt?

Ihr seht, ich bin voller Fragen, diese Artikel besteht eigentlich nur aus Fragen, die ergänzt sind mit ein paar Gedanken, die ich dazu in letzter Zeit hatte. Könnt ihr mir antworten geben?

6 Gedanken zu „30.07.2024: Was ist Respekt?

  1. Hi Sven,

    gute Frage und schöner Blogbeitrag zum Thema Respekt. Ich habe meine Antwort hier geschrieben, aber dann war er doch zu lang, also hab ich ihn auf meinem Blog als neuen Blogbeitrag eingebunden (erscheint die nächsten Tage und verweist dann auch hier her).

    Viele Grüße aus Mittelfranken,
    Alex

  2. Oh ganz mein Thema. Schön früher habe ich da echt Wut bekommen, wenn jemand von Respektlosigkeit redete. Dabei meinen die meisten kein Respekt, sondern Macht.
    Ich sag immer Respekt muss man sich verdiene es hat nichts mit dem Alter, mit einer Position oder sonst etwas zu tun, sondern wie man den gegenüber behandelt. Und zwar respektvoll.
    Wenn jemand zu mir meinte ‚Früher hatten die Kinder Respekt‘ sag ich ihn, nein sie hatten Angst! Und so ist es, man hätte Angst vor den älteren Generationen, vor den Eltern, vor den lehren. Das hatte null mit Respekt zu tun. Es gab einen der Macht ausübte und der andere der aus Angst kuschte. Mehr nicht.
    Respekt ist aber etwas was auf Gegenseitigkeit berührt, was ohne machtgehabe passiert, was auf Augenhöhe ist.

    Ich verachte regelrecht Menschen, die meinen macht über andere zu haben hat was mit Respekt zu tun. Bah Ne.

    Ich bin sehr froh, daß die neuen Generation endlich aus dieser Angst Position ausbricht.

  3. Hallo Sven,

    da bin ich ganz bei dir – Respekt und Angst sind etwas Grundverschiedenes.

    Ich sehe das auch bei der Arbeit mit den Pferden: da ist gegenseitiger Respekt für mich essentiell. Mein Pferd hat keine Angst vor mir, aber es respektiert beispielsweise beim Führen meinen Bereich und rennt mir nicht einfach in die Hacken.
    Andersherum respektiere ich, dass mein Pferd ein fühlendes, denkendes Lebewesen ist mit eigenen Ideen und Problemen und deswegen würde ich bei einem Nein seinerseits niemals einfach „mal zeigen, wer hier der Boss ist“ oder ähnliche gewalttätige Geschichten. Sondern zuhören und schauen, wo das Problem liegt. Vielleicht versteht es nicht, was ich von ihm will, weil meine Körpersprache zu undeutlich ist. Oder es kann sich nicht konzentrieren, weil die Nacht im Stall unruhig war. Oder etwas tut ihm weh, und so weiter.

    Natürlich gibt es Grenzen bzw. Situationen, in denen ich sehr klar werden muss und sage, bis hierhin und nicht weiter, um Gefahren für uns beide abzuwenden. Aber auch das kann man fair und deutlich kommunizieren, ohne angsteinflößend zu werden.
    Und dadurch entsteht letzten Endes etwas, das so unheimlich wertvoll ist – Vertrauen ineinander.

    Das gilt für Menschen genauso…

    Liebe Grüße
    Anne

  4. Menschen meinen je nach Situation und Position oft unterschiedliche Dinge mit dem Wort Respekt.

    Hierarchisch (ob gesellschaftlich, allgemein in Sozialsituationen oder auch im Job) weiter unten stehende Menschen wollen gerne mit Respekt behandelt werden und meinen damit „wie ein Mensch und als relevant behandelt werden“, was auch jeder Person zusteht (jedenfalls als Default, bei mir kann man diesen Respekt durchaus auch einbüßen je nach Verhalten).

    Personen, die weiter oben stehen (Vorgesetzte, Eltern, im institutionellen Kontext auch z. B. Angestellte gegenüber Bürgerinnen usw.), meinem mit Respekt regelmäßig, dass ihnen qua Position gebührt, dass sie nicht kritisiert oder hinterfragt werden dürfen.

    Die zweite Sichtweise führte bei mir vor längerer Zeit auch mal für ein Gespräch mit dem Abteilungsleiter, der mir „mangelnden Respekt vor Vorgesetzten“ vorwarf, woraufhin ich ihm das oben in der Klammer erwähnte erläuterte und zusätzlich erklärte, dass dieser Default und weitere Umgang damit sich für mich eben nicht ändert, wenn jemand Anzug trägt oder eine „Führungsrolle“ innehat.

    Ich habe eher eine gegenteilige Sicht (die ich da auch vertreten habe), denn gerade Menschen in Führungsrollen sollten die „Untergebenen“ respektvoll (im ersten Sinne) behandeln und sich so verhalten, dass Leute sie und ihr Handeln respektieren (durch Dinge wie auf Augenhöhe und wertschätzend kommunizieren oder „Erklären statt Verkünden“) – und nicht darauf beharren, dass ihre Position Grund genug wäre, ihnen zu huldigen.

    Lange Rede…

    Bevor man mit jemandem über Respekt redet, sollte man klären, ob man über das Gleiche redet, da das Wort nicht eindeutig ist. Ich halte die erste Variante für sehr wichtig (Grundrespekt als Default, Veränderung dessen durch eigenes Handeln) und die zweite für schädlich.

  5. Moin @alle,

    danke für eure Kommentare oder Blogartikel. Ich habe diese natürlich alle gelesen und sehe, dass das Thema Respekt wirklich viele Facetten hat. Die Machtposition zum Beispiel, die @Sabrina anspricht, ist sicher auch ein wichtiger Aspekt. Mir fällt dazu immer der französische Präsident Macron ein, der aus seiner Position heraus Respekt eingefordert hat. Ich vermute, dass diese Macht auch dazu genutzt wird, um Angst zu verbreiten, wodurch Respekt geschaffen werden soll.

    @Anne und auch @Matze zeigen gut, was ich meine, wenn ich davon rede, dass Respekt auf Vertrauen aufbaut und eben nur dann vorhanden sein kann, wenn er auf Augenhöhe stattfindet.

    @Alex versucht in seinem Blogartikel eine Definition zu finden. Ich muss den noch ein wenig wirken lassen, werde dann aber natürlich dort kommentieren. ( https://alexander-schnapper.de/2024/08/04/kommentar-zu-frage-was-ist-respekt/ )

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