Auf dem Bild ist die erste Fassung des Briefes an Olaf zu sehen, den ich per Hand vorgeschrieben habe.

Moin SPD,

die vorgezogenen Neuwahlen für den Bundestag sind nun gelaufen. Viel habt ihr in den letzten Wochen und Monaten über die illegale Migration, über schnellere Abschiebungen und über mehr Überwachung der Bürger*Innen gesprochen. Ihr habt euch von der AfD, der CDU und der CSU treiben lassen, habt euch ein Thema aufdrängen lassen, welches gesellschaftlich gar nicht so wichtig gewesen wäre. Ihr hättet aber – wenn ihr das Thema dann schon aufgreift – dieses positiv besetzen können! Ihr hättet in Widerspruch zur AfD und der Union gehen können, wenn ihr aus der Krise eine Chance gemacht hättet. Schon vor einem Jahr habe ich dem damaligen Kanzler Olaf Scholz einen Brief geschrieben, in dem es um genau dieses Thema ging. Schon damals sagte ich, dass ihr euch das Thema „Migrationskrise“ nicht auf die Agenda hättet schreiben lassen dürfen. Jetzt sehen wir, dass von einem solchen Framing immer das Original – also der AfD – profitiert und auch immer profitieren wird!

Eure Chance wäre gewesen, dieses Thema positiv zu besetzen. Ihr hättet all den Menschen, die als „Sozialschmarotzer“ gebrandmarkt wurden, als „Sozialtouristen“, einfach eine Arbeitserlaubnis geben können! Denn die fehlende Arbeitserlaubnis ist ja meist der Grund dafür, dass diese Menschen auf Sozialleistungen angewiesen sind. Ihr hättet die Chance gehabt, die Rahmenbedingungen zu verändern, damit diese Menschen sich hier eine Perspektive hätten aufbauen können. Menschen, die hier im Land sind, die vor Hunger, Gewalt und Folter geflohen sind und die hier nicht nur nach Schutz, sondern auch nach einer Zukunft suchen. Menschen, die in der Pflege oder in der Gastronomie übrigens schon jetzt gebraucht werden, die aber eher im zweiten Ausbildungsjahr abgeschoben werden, weil das System keine Perspektive bieten möchte, sondern nur Abschreckung. All das hättet ihr ändern können, hättet zeigen können, dass wir diese Menschen brauchen, als Freunde, als Arbeitnehmer*Innen, als Gewinn für unsere Gesellschaft. Damit hättet ihr der AfD den Wind aus den Segeln nehmen können, damit hättet ihr der Union zeigen können, wofür das C in ihren Parteinamen steht, damit hättet ihr die gesellschaftliche Stimmung – die schon durch all die anderen Krisen eher negativ ist – positiv beeinflussen können.

Diese Chance habt ihr nicht genutzt. Ihr habt sie nicht nur bei diesem Thema verstreichen lassen, sondern bei vielen anderen, wo ihr die Deutungshoheit denen überlassen habt, die dieses Land brennen sehen wollen. Die Quittung dafür habt ihr bei der Wahl am Sonntag bekommen!

Jetzt öffnet sich für euch aber die nächste Tür. Ihr könntet jetzt anfangen, diese Themen positiv zu besetzen und gleichzeitig könntet ihr Merz den Wind aus den Segeln nehmen, wenn ihr jetzt in den anstehenden Koalitionsverhandlungen euch nicht von der Union diktieren lasst, welche Themen wie bearbeitet werden müssen. Ihr dürft euch nicht in eine Koalition zwingen lassen, nur weil die Union euch hier in eine Verantwortung reden will, die ihr nicht habt! Merz muss sich eine stabile Mehrheit für die Kanzlerschaft suchen. Die SPD kann ihm ein Angebot machen, diese Mehrheit zu erreichen, aber eben zu sozialdemokratischen Bedingungen! Merz hat die Verantwortung, Merz hat den Auftrag und nicht die SPD. Darüber müsst ihr euch bewusst sein, wenn ihr in die Koalitionsverhandlungen geht.

Die SPD wird in einer Schwarz-Roten Koalition nicht gewinnen. Diese Erfahrung hat die SPD in den letzten Jahrzehnten nun mehrmals machen dürfen, aber die SPD kann diesmal schon dafür sorgen, dass sie ihr Profil schärft und sie sich von den teilweise menschenfeindlichen Positionen der christlichen Union deutlich abgrenzt. Die SPD darf und muss sich teuer verkaufen, auch wenn Herr Merz mit einer Koalition mit der AfD droht! Merz ist bewusst, dass er mit solch einer Koalition die CDU zerstören würde und deswegen muss die SPD klar formulieren, dass sie sich damit nicht erpressen lässt!

Geht die Union tatsächlich in eine Koalition mit der AfD, dann würde die CDU all die Wähler*Innen, die jetzt nur die CDU gewählt haben, weil die AfD noch in einer undemokratischen Ecke steht, an die AfD verlieren, die dann nämlich in das demokratische Spektrum rutscht. Gleichzeitig würden die Wähler*Innen, die keine faschistische Politik wollen, die den Faschismus tatsächlich ablehnen, ebenfalls der CDU den Rücken zukehren und sich im besten Fall eine andere Partei suchen, im schlechtesten Fall einfach nicht mehr wählen. Dem muss sich die SPD bewusst sein, sie kann also mit breiter Brust in die Verhandlung gehen, auch wenn sie von den Wähler*Innen abgewählt wurde. Das Erpressungspotential, welches Herr Merz hat, ist relativ gering und sollte ihm das nicht bewusst sein, dann sollte die SPD ihm das bewusst machen.

Es gibt also keinen Grund, sich von der CDU und CSU die Themen diktieren zulassen und diesen dann bedingungslos zuzustimmen. Es gibt keinen Grund, die Gesellschaft auch in den nächsten Jahren immer mehr zu spalten, sie noch weiter nach Rechts zu treiben und dabei zuzuschauen, wie die AfD davon profitiert. Die SPD hat keinen Grund, einer Merz-Regierung, die AfD Politik machen will, eine demokratische Legitimierung zu verschaffen. Will Merz AfD Politik, will er die Gesellschaft noch weiter spalten, will er den Hass auf marginalisierte und/oder den schwächsten Gruppen der Gesellschaft noch weiter wachsen lassen, dann solltet ihr ihm klar sagen, dass er dies mit der AfD tun muss. Was dann passiert, habe ich ja weiter oben schon erwähnt.

Wenn ihr also in Verhandlungen mit der Union geht, dann solltet ihr als Erstes einmal auf eine Entschuldigung von Herrn Merz bestehen. Diese muss Grundlage dafür sein, dass es überhaupt zu Verhandlungen kommt. Sollte das passieren, dann solltet ihr euch eure Leuchtturmprojekte, die ihr ja durchaus in den letzten Jahren hattet, nicht kaputtmachen lassen. Kämpft für das Deutschlandticket, das so vielen Millionen Menschen in Deutschland das Leben erleichtert. Das dafür sorgt, dass sich Pendler*Innen auch weiterhin den Weg zur Arbeit leisten können, obwohl es in den letzten Jahren zu enormen Kaufkraftverlusten gekommen ist. Ihr könnt gerne auch erwähnen, dass das Ticket auch für die Wirtschaft enorm wichtig ist, weil es die Arbeitnehmer*Innen nämlich deutlich flexibler werden lässt und dass ein Auto hier keine Alternative ist, auch wenn es für diese deutlich mehr Subventionen gibt!

Ihr solltet euch auch nicht die Cannabis-Teillegalisierung wieder wegnehmen lassen. Und wenn doch, dann muss halt gleichzeitig ein Verbot für Alkohol und Tabak kommen. Denn die gesellschaftlichen Kosten dieser beider Drogen sind deutlich höher als die für Cannabis. Ihr solltet das klar kommunizieren, eure Maximalforderung der Maximalforderung der CDU und CSU gegenüberstellen.

Das sind jetzt beispielhaft nur zwei Themen, weil diese auch Beispielhaft in den letzten Wochen in den Medien immer wieder besprochen wurden. Ihr solltet euch das nicht nehmen lassen, auch wenn ihr bei dieser Wahl mit diesen Themen nicht punkten konntet, Karmapunkte gibt es dafür auf jeden Fall und die SPD braucht sehr viele davon, um die Gesellschaft wieder vom rechten Rand wegbewegen zu können.

Noch mal, sollte Merz mit der AfD drohen, so solltet ihr ihn einfach lassen. Er weiß was dann passiert und ihr könnt es auch nicht verhindern, wenn ihr euch deswegen der Union bedingungslos an den Hals werft! Macht ihr, zusammen mit der Union, AfD-Politik, wird 2029 die AfD davon profitieren und nicht die demokratische Mitte. Ich kann mich da nur immer wieder wiederholen, auch wenn euch das in den letzten Jahren nicht interessiert hat, obwohl auch die Wissenschaft es immer und immer wieder wiederholt hat.

Die SPD muss nicht Teil einer Regierung sein, die populistische AfD-Politik macht. Die SPD muss Teil einer Regierung sein, die aufhört, den schwächsten Gruppen in der Gesellschaft für alles die Schuld zu geben. Sie muss Teil einer Regierung sein, in der zivilgesellschaftliche Akteure, die unsere Demokratie schützen wollen, nicht bedroht werden, wenn sie nicht der Regierungsperspektive folgen. Generell sollte diese Regierung, wenn die SPD Teil davon ist, mehr Geld in Demokratieprojekte stecken, um den Trend, dem so viele europäische Gesellschaften folgen, endlich aufzuhalten und umzudrehen. Immer auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass das in vier Jahren sonst die letzte freie und geheime Wahl werden könnte, die in Deutschland stattfindet.

Die Verantwortung, die die SPD jetzt also trägt, ist nicht die, Mehrheitsbeschaffer für Merz zu sein, sondern in der Regierung Merz das Korrektiv zu sein, dass die menschenfeindlichen Ansichten von Merz und der christlichen Union deutlich aufzeigt und verhindert, dass diese in Gesetze gegossen werden. Mit genau diesem Anspruch sollte die SPD in Verhandlungen mit der Union gehen und wenn dieser Anspruch mit Merz nicht umgesetzt werden kann, dann sollte die SPD dies akzeptieren und eben nicht Teil der Regierung werden. Die Verantwortung für die Regierungsbildung liegt nämlich – wie schon erwähnt – bei Merz und nicht bei der SPD.

Ich wünsche viel Mut und Gelassenheit für die anstehenden Koalitionsverhandlungen, die auch die Weichen stellen werden, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben werden.

Es Grüßt

Sven Buchien

4 Gedanken zu „26.02.2025: Brief an die SPD

    • Ich war zwar mal Mitglied der SPD, aber das ist schon knapp 20 Jahre her. Inzwischen bin ich zu weit links, um noch irgendwie Anhänger von der SPD sein zu können. Aber das bedeutet ja nicht, dass du dich nicht ein wenig einmischen darfst, immerhin geht es ja auch um die Gestaltung unserer Leben, die da vonstatten geht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir bieten Ihnen an, auf unseren Internetseiten Fragen, Antworten, Meinungen oder Bewertungen, nachfolgend nur „Beiträge genannt, zu veröffentlichen. Sofern Sie dieses Angebot in Anspruch nehmen, verarbeiten und veröffentlichen wir Ihren Beitrag, Datum und Uhrzeit der Einreichung sowie das von Ihnen ggf. genutzte Pseudonym.

Rechtsgrundlage hierbei ist Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Die Einwilligung können Sie gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Hierzu müssen Sie uns lediglich über Ihren Widerruf in Kenntnis setzen.

Darüber hinaus verarbeiten wir auch Ihre IP- und E-Mail-Adresse. Die IP-Adresse wird verarbeitet, weil wir ein berechtigtes Interesse daran haben, weitere Schritte einzuleiten oder zu unterstützen, sofern Ihr Beitrag in Rechte Dritter eingreift und/oder er sonst wie rechtswidrig erfolgt.

Rechtsgrundlage ist in diesem Fall Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Unser berechtigtes Interesse liegt in der ggf. notwendigen Rechtsverteidigung.

Auszug aus unserer Datenschutzerklärung.