Wie gerne würde sie jetzt in diesen Muffin beißen. Sie konnte die warme Schokolade, die sich im inneren des Muffins befand, riechen und es lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Täglich lief sie an diesem Café vorbei, täglich konnte sie das frische Gebäck riechen, der Dampf von heißen Kaffee stieg ihr in die Nase. Doch es fehlte ihr das Geld! Sie konnte sich ja nicht einmal eine Wohnung leisten und wenn doch einmal Geld übrig war, dann nutzte sie dies lieber für eine Nacht in einer Unterkunft. Doch oft blieb ihr das verwehrt, nur die öffentliche Dusche konnte sie sich regelmäßig leisten. Darauf achtete sie, denn wenn sie schon finanziell in Armut lebte, wollte sie nicht auch noch in soziale Armut verfallen, wollte die Kontakte nicht verlieren, sich nicht schämen müssen, wenn sie alte Freunde und Bekannte traf. Freunde und Bekannte, die nicht wussten, dass sie schon längere Zeit keine Wohnung mehr hatte und auch ihren Job war sie schon lange Zeit los.

Irgendwann fiel sie sogar durch das soziale Netz, es fing damit an, dass die Wohnung zu groß war und das Amt sie nicht mehr bezahlen wollte. Doch es gab keine kleinere Wohnung für sie. Es gab keine Wohnung, die sie sich leisten konnte. Die hohen Mieten, die Schikane vom Amt und der Verlust ihrer Arbeit, all das führte dazu, dass ihr Glaube an diese Gesellschaft verdorben wurde. Sie glaubte nicht mehr daran, dass es hier wirklich um den Menschen geht, es ging nur noch ums Kapital, um den fiktiven Glauben an eine höhere Macht, nur das diese höhere Macht nicht Gott war, sondern die Märkte.

Ihrem früheren Arbeitgeber ging es gut. Es gab eigentlich keinen Grund für ihre Entlassung. Die Einnahmen stimmten, die Auftragsbücher waren voll, doch sie war überflüssig. Dabei sollte in dieser Welt kein Mensch überflüssig sein!

Dieser Beitrag gehört zu abc.etüden. Da ich das Projekt spannend finde und es auch eine gute  Schreibübung ist, werde ich dort regelmäßig teilnehmen.

4 Gedanken zu „Sie

  1. Von der Welt, der bitteren, schlichten, ungerechten Armut und dem Wunsch, sich nicht aufzugeben. Danke dir dafür.
    Dein Text macht mich wütend. Du hast so recht. Keiner sollte überflüssig sein!
    Liebe Grüße
    Christiane

  2. Ja, es ist idiotisch: ältere Leute (z.B.) möchten gern eine kleinere Wohnung, würden dann aber (viel) mehr bezahlen, als für die aktuelle große Wohnung (so geschehen bei meinen ehemaligen Nachbarn, diese 120qm Wohnung hätten wir gern genommen, sie wohnen aber immer noch drin). Also da hakt es an vielen Stellen. Und die Schwergängigkeit von Behörden ist auch oft existenz- gefährdend (mir selbst passiert, laaange her: mein Konto wurde eingefroren, weil mein Ex Mann Schulden hatte, dem Finanzamt war das egal (gleicher Name, nehm wa die…) und ich war mit Sohn allein und konnte nicht mal was zu Essen kaufen. Die müssen sich nicht mal entschuldigen. Von Miete red ich gar nicht, alles was in der Woche (!!) nicht gelaufen war, hat mich noch extra gekostet (und es war- ohne Unterhalt ect.- schon mega-knapp). Passiert das mehrmals, kannste auch aus ner Wohnung fliegen (denke ich, das musste ich nicht ausprobieren). Aber mit dem Unrecht des Arbeitgebers gebe ich dir nicht recht, als Firmenchef hast du auch die Verantwortung für alle und musst sparen, wo es geht, da kann man niemanden mit durchfüttern, weil er nett und fleißig ist. Wenn man damit einmal anfängt, sitzen bald alle auf der Straße (ist meine Meinung). Gibt natürlich auch solche und solche. Wenn ein AG, der entlassen MUSS (weil Job nicht mehr anwesend) umsetzen würde… da wär toll. Aber diese soziale Verantwortung gibt es irgendwie nicht mehr…. jeder ist sich selbst der Nächste… trauriges Thema. Viele Grüße!

    • Es kommt immer darauf an, von welchen Unternehmen wir reden. Ist es ein Unternehmen, welches jährlich mehrere Millionen oder Milliarden Gewinn macht, dann muss das Unternehmen nicht sparen, wo immer es geht. Und kleinere Unternehmen haben durchaus meist ein soziales Gewissen und finden Arbeit, solange der Umsatz des Unternehmens es zulässt. Am Ende ist es aber so: Durch die Produktivitätsgewinne wird Arbeit immer weniger, dies kannst du entweder über einen höheren Absatz, also über Wachstum ausgleichen, durch Entlassungen der dann überflüssigen Arbeitskraft, oder eben durch eine soziale Arbeitszeitverkürzung für alle Mitarbeiter*Innen. Die Entlassung ist in den meisten Fällen eben nicht der einzige und sinnvollste Weg. Und doch, Unternehmen haben diese soziale Verantwortung, denn der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft für den Menschen. Von diesem Ideal sind wir nur Lichtjahre entfernt.

  3. So eine tapfere Protagonistin. Nicht gebrochen, aufrecht stehend, dass sie keiner meidet oder noch gar bemitleidet. Eine Schande, wie man mit den Mitarbeitern manchmal umgeht und wie das Amt einen behandelt.
    Meine Schwiegermutter würde sich auch gerne verkleinern – aber da ist es das selbe – sie würde für eine kleinere Wohnung mehr bezahlen – also „besetzt“ sie eine zu grosse Wohnung.

    Welch Zeiten.

    Danke für deinen Beitrag

    Liebe Grüsse

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