Der 03. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit. Der Tag, an dem die DDR aufhörte zu existieren und für viele der Tag, an dem sie endlich ihre Freiheit wiedergewonnen haben. Der 03. Oktober 1990, wobei das Ende der DDR schon im November 1989 begann und dieser Tag, dieser 03. Oktober, nur der Abschluss war.
Ich war damals noch viel zu jung, um wirklich zu verstehen, was da gerade vor sich ging. 1990 war ich gerade mal 7 Jahre alt, hatte mein erstes Schuljahr beendet und befand mich gerade am Anfang der zweiten Klasse. Damals freute ich mich darauf endlich Jungpionier zu werden, wollte endlich das blaue Halstuch tragen und war neidisch auf meine Geschwister, die schon das rote Halstuch hatten. Verdammt war ich stolz, als ich mein blaues Halstuch hatte und ebenso enttäuscht, als dann die Pioniere abgeschafft wurden und ich das rote Halstuch nicht mehr bekommen habe. Natürlich fand ich es schön, dass ich am Anfang nur noch alle zwei Wochen Samstags zur Schule musste und noch besser fand ich es, als am Samstag dann gar kein Schulunterricht mehr stattfand. Aber wirklich verstanden habe ich das alles damals noch nicht.
Mir ging es nicht schlecht. Sowohl im Kindergarten wie auch in der Kinderkrippe fühlte ich mich wohl. Ich war zwar ein anstrengendes Kind, was meine Erzieherinnen auch oft zur Verzweiflung brachte, aber es war dennoch keine schlechte Zeit. Ich weiß, dass viele wohl etwas anderes erlebt haben, aber ich habe keine negativen Erfahrungen gemacht, nicht in der Kinderkrippe und auch nicht im Kindergarten.
Die schlechten Erfahrungen kamen dann erst nach der Wiedervereinigung. Plötzlich wurde meine Mutter arbeitslos, was sich natürlich negativ auf unsere Finanzsituation auswirkte. Der Wettbewerb um Markenklamotten, der ziemlich schnell in unserer Schule ausbrach, war für mich nicht zu gewinnen und auch andere Dinge waren unerreichbar für mich. Viele negative Dinge verbinde ich mit der Nachwendezeit, und viele negative Dinge verbinde ich mit dem kapitalistischen System, welches mit der Wende über uns kam. Reisen, Kino, Hobbys – all das war für mich nicht drin, weil einfach das Geld fehlte. Genauso fehlte das Geld fürs Schulessen, welches in der DDR für kinderreiche Familien noch kostenlos war.
Damit möchte ich die DDR nicht verherrlichen. Ich möchte nicht das Unrecht bestreiten, welches in der DDR begangen wurde. Ich möchte damit aber zeigen, dass es durchaus Menschen gibt, die mit der DDR positive Dinge verknüpfen. Klar war ich damals noch jung und wer weiß, ob ich nicht inzwischen auch überwiegend negative Erfahrungen mit der DDR verknüpft hätte, wenn es sie noch geben würde, aber das ist halt Spekulation.
Es gibt viele Menschen, die haben durch die Wende mehr verloren als gewonnen. Menschen, die 1989/1990 für die Wende waren, die sich die Freiheit gewünscht haben, die aber mit dieser Freiheit nichts anfangen konnten, weil sie nach der Wende arbeitslos geworden sind. Menschen, die ihre Existenz verloren haben und die aus einer sicheren Gegenwart gerissen wurden, um in eine unsichere Zukunft zu gehen. Da ist es verständlich, wenn diese Menschen jetzt mit Wehmut an ihr Leben in der DDR denken. Da ist es verständlich, wenn diese Menschen sagen, dass in der DDR nicht alles schlecht war. Das sollte akzeptiert werden, genauso wie akzeptiert werden sollte, dass es Menschen gibt, die nur positive Erinnerungen an die DDR haben. Menschen, die gerne in der DDR gelebt haben, die diesen Staat als ihre Heimat empfanden und die voll und ganz hinter der Idee der DDR standen.
War die DDR ein Unrechtsstaat? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für die, denen Unrecht angetan wurde, war die DDR mit Sicherheit ein Unrechtsstaat – auch das sollte akzeptiert werden – aber in jedem Staat geschieht unrecht. In der BRD genauso, wie in den USA oder in anderen Ländern. Eine Bewertung darüber, ob ein Staat ein Unrechtsstaat ist oder nicht, wird immer eine individuelle Bewertung sein. Jeder hat seine individuellen Erfahrungen gemacht, jeder hat seine eigenen Verknüpfungen, und genau diese Erfahrungen und Verknüpfungen sind es, die eine Beurteilung erst ermöglichen, aber eben individuell.
Natürlich ist auch eine geschichtliche Aufarbeitung notwendig. Diese muss aber alles Aufarbeiten, also sowohl die negativen wie auch die positiven Aspekte der DDR. Gleichzeitig sollte es aber auch eine Aufbearbeitung der Geschichte der BRD geben. Und auch hier müssen die negativen und positiven Aspekte benannt werden. Ein abschließendes Urteil muss am Ende aber wieder jeder für sich selbst bilden.
Der 03. Oktober. Für viele ist er ein Feiertag, für Einige ein Tag der Trauer und für andere ist es einfach nur der 03. Oktober.