Der Bundestag hat jetzt also einen guten Entwurf, um die Körperverletzung an männlichen Neugeborenen schnellstmöglichst wieder rechtssicher zu machen. Rechtssicher für die Eltern, die sonst in ihrer Religionsausübung gestört werden würden – nicht rechtssicher für die Kinder, die gar nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie diesen Brauch ablehnen oder nicht, sie müssen mit der religiösen Entscheidung ihrer Eltern leben, die eben entscheiden, dass dieser Brauch wichtig ist. Und weil sie das Denken, haben die Politiker ihr eigenes Denken sofort eingestellt, sie haben sich die guten Gründe gegen eine Beschneidung wahrscheinlich nicht einmal angehört, und wenn, dann haben sie diese wahrscheinlich mit der Begründung vom Tisch gewischt, dass es sich hier um einen jahrtausendealten Ritus handelt und wahrscheinlich halten sie die Vorhaut nicht für so wichtig, um das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit zu beachten.
Bei dieser körperlichen Unversehrtheit ist es übrigens egal, um welches Teil am Körper es sich handelt. So sollten auch Mädels selbst entscheiden, ob sie Ohrlöscher haben wollen. Auch dazu braucht das Kind eine gewisse Reife, die es mit 4, 6 oder 8 Jahren noch nicht haben kann. Oder Zwitter, um noch ein weiteres Beispiel zu nennen. Die Eltern können gar nicht wissen, welche Seele sich im Körper des Neugeborenen befindet, sie dürfen aber darüber entscheiden, welches Geschlecht das Kind bekommen soll. Eine Entscheidung, die später nicht mehr zu beheben ist, und die, wenn sie falsch war, auch für das Kind weitreichende Folgen hat. Aber zurück zum Thema.
Was würde passieren, wenn jetzt eine Religion nach Deutschland kommt, die den jahrtausendealten Ritus hat, jedes zweite männliche Neugeborene zu kastrieren? Würden die Politiker hier auch sofort Rechtssicherheit herstellen? Oder wenn der Islam jetzt sagt, dass die Zwangsheirat ihrer Mädels ein jahrtausendealter Ritus ist, wird das dann auch im Sorgerecht der Eltern verankert und legalisiert? Warum wird übrigens bei religiösen Riten ein unterschied zwischen Mann und Frau gemacht? Weil die Vorhaut des Mannes unwichtig ist? Sollte nicht jeder Mensch auf dieser Erde das Recht haben über seinen Körper selbst zu bestimmen – egal ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelt? Warum wird ein Ritus so sehr viel höher gewichtet als die Selbstbestimmung?
Mir ist klar, dass die Beschneidung im Judentum ein wichtiger Ritus ist, um den Bund mit Gott herzustellen. Aber kann dieser Bund nicht auch später hergestellt werden? Ist der Gott, an den so viele Menschen glauben, wirklich so brutal, dass er Kinder, die noch nicht beschnitten sind, aus seinem Himmelreich verbannt? Und wenn das so ist, warum gilt das dann nur für die Juden und für den Islam, nicht aber für die Christen und anderen Religionen? Und warum ist bei einem Moslem die Zeitspanne, in welcher er beschnitten werden muss, nicht festgelegt?
Leider überkommt mich immer häufiger das Gefühl, dass deutsche Politiker das eigene Denken eingestellt haben. Wahrscheinlich halten sie es nicht für notwendig einmal über ihr eigenes Handeln zu reflektieren, geschweige denn über das Handeln anderer. Sie verbieten Jugendlichen den Besuch von Solarien, weil diese für die Gesundheit schädlich sind, erlauben es aber Eltern darüber zu entscheiden, ob ein Stück Haut nun eine wichtige Funktion hat oder nicht.
Ach so, ihr könnt mir in den Kommentaren jetzt gerne sagen, dass man das Eine nicht mit dem Anderen vergleichen darf. Ich mache es dennoch, weil es einfach um etwas Grundsätzliches geht, nicht um die Vergleichbarkeit der einzelnen Dinge.
Ich stimme da mit Dir überein. Kleinkinder haben weder eine ausreichend entwickelte Persöhnlichkeit, um die Entscheidung selbst zu treffen, ob sie denn dem alten Ritus folgen wollen oder nicht; noch haben sie das entsprechende Hintergrundwissen. Es sind die Eltern, die die Entscheidung für Ihre Kinder, angeblich „zu deren Wohle“ treffen.
Tatsächlich ist es jedoch der Gruppenzwang in der Religionsgemeinschaft, der die Eltern dazu treibt, ihre Jungen beschneiden zu lassen. Sie wollen nicht abseits stehen und fürchten gar die Ächtung der anderen, wenn sie sich diesem Ritual verweigern. Und ich denke sie tun es in so manch einem Falle auch wider besseren Wissens. Dieser sogenannte jahrtausende alte Ritus ist ein alter Zopf aus längst vergangenen Jahrhunderten, der nicht dem Wohle der Kinder, sondern nur den Egoismen der Erwachsenen dient. Und deshalb kann ich diesen Ritus nur ablehnen.
Wenn ein Teenager, der bereits über ein gewisses Maß an Lebenserfahrung und menschlicher Reife verfügt, sich für die beschneidung entscheidet, dann ist das sein freier Wille, der zu respektieren ist. Aber Kleinkinder besitzen diese Reife noch nicht.
Bravo! Klarer und eindeutiger kann man es nicht auslegen! Hier noch ein paar weitere Gedanken dazu (die gerne weiterverbreitet werden dürfen 😉 ).
– Die Penisbeschneidung an Minderjährigen, die unbestritten eine Körperverletzung darstellt, wird deswegen nicht strafrechtlich verfolgt, weil sie als minderschwerer Eingriff gesehen wird. Das Entfernen der Ohrläppchen (nur der Ohrläppchen, nicht der ganzen Ohrmuschel!) erscheint in seiner Schwere vergleichbar, ist aber nicht von der Strafverfolgung ausgenommen. Männliche Kinder haben also nun per Gesetz weniger Recht auf die Unversehrheit ihres Geschlechtsteils als ihrer Ohren. Ist DAS nicht wahre Diskriminierung und Unterdrückung?
– Angenommen, das Ritual der Penisbeschneidung hätte es bisher nicht gegeben und heute käme jemand auf die Idee, es einzuführen, weil es in einem Jahrtausende alten Buch propagiert wird. Was würde man wohl mit demjenigen machen, der das anregt?
– Tradition ist ein hohes Gut, gleich ob religiös oder anderweitig geprägt. Wenn in der Vergangenheit jedoch alle Kulturen ihre jeweiligen Traditionen einfach nur blind und unhinterfragt weiterverfolgt hätten, wäre die Menschheit dann nicht schon lange ausgestorben? Eine Religion, die nicht bereit ist, den Sinn sowie die Angemessenheit ihrer traditionellen Regeln und Riten angesichts des Jetzt und Hier zu beurteilen, stirbt früher oder später aus. Die Erde dreht sich schließlich weiter, denn sie ist, wie wir heute wissen, keine Scheibe.