„Was für ein geiles Wort!“, dachte sich Paul, als er sein Werk betrachtete. Er hatte zwar keine Ahnung, was das für ein Gerät sein sollte, aber die Länge des Wortes hatte ihn gereizt. Ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass er es irgendwo gelesen hatte, und vor einer Woche fand er dann auch die passende Wand, an der er dieses Wort verewigen konnte. Und heute hat er es dann umgesetzt, hat sich für jeden Buchstaben extra viel Zeit genommen, denn Zeit hatte er hier genug, und das Wort an die Wand gebracht. Ein halbes Jahr Vorbereitung hat er in das Projekt gesteckt, und jetzt war es vollendet.
Stift um Stift hat Paul verbraucht, um das richtige Design zu finden. Nicht das Wort war wichtig, sondern das Design. Die Kunst versteckte sich in den Details und hier konnte er sich austoben, denn das Wort hatte 41 Buchstaben. 41 Buchstaben sind eine Menge Platz für Kunst und genau darum ging es Paul, als er dieses Projekt startete.
Er musste sogar einen Ferienjob aufnehmen, damit er sich die vielen Dosen mit Sprühfarbe leisten konnte, die er brauchte, um dieses Projekt umsetzen zu können. Paul hatte viel Spaß in der Werbeagentur, denn auch dort konnte er kreativ arbeiten und der Chef war so zufrieden mit Paul, dass er ihm gleich einen Ausbildungsvertrag anbot. Dabei hatte Paul noch ein Jahr Schule vor sich, bevor er in die Arbeitswelt starten würde. Das war dem Chef natürlich auch bewusst, weswegen er in den Vertrag auch einen Notenschnitt mit aufnahm, den Paul erreichen musste, damit der Ausbildungsvertrag gültig ist. Nichts, was nicht erreichbar wäre, aber der Chef der Werbeagentur will damit vermeiden, dass Paul die Motivation verliert, weil er seinen Ausbildungsvertrag bereits in der Tasche hat.
Paul war klar, dass er diesen Ausbildungsvertrag nur bekommen hatte, weil er so hart an diesem Projekt gearbeitet hat, weswegen es schon ein Erfolg war, bevor es heute seine Vollendung gefunden hatte.
Und diese Wand hier hatte er auch nur gefunden, weil er diesen Ferienjob hatte. Denn hätte er für die Werbeagentur nicht das Päckchen zu einem Kunden bringen müssen, dann wäre er nie über diese Brücke gefahren. Und wäre er nicht über diese Brücke gefahren, nun, dann hätte er vor einer Woche nicht diese Wand entdeckt. Obwohl er sie eigentlich nur entdeckt hatte, weil er, als er unkonzentriert durch die Gegend schaute, beinahe das Gleichgewicht verloren hätte und er sich nur gerade so vor einem Sturz mit dem Fahrrad bewahren konnte. Und genau dabei entdeckte er diese perfekte Wand.
Dieser Ferienjob brachte ihm also nicht nur das Geld, mit dem er sich die Sprühfarbe kaufen konnte, er brachte ihm auch die perfekte Wand, um sein Projekt abschließen zu können, und er brachte ihn Sicherheit für die Zukunft. Wegen dieser Zukunft überlegte er auch kurz, das Projekt doch nicht zu einem Ende zu bringen, denn wenn er dabei erwischt wurde, würde seine sichere Zukunft wieder auf wackligen Pfeilern stehen. Doch dann sagte er sich, dass dieses Projekt der Grund für all diese Entwicklungen war, und deswegen musste es nun auch zu einem Ende gebracht werden.
Drei Stunden hat er nun dafür gebraucht und nun stand das Wort endlich an dieser Wand. Er konnte es noch immer nicht glauben, dass das jetzt das Ende sein sollte, aber es ist nur das Ende von diesem Projekt, nicht das Ende seines Lebens, denn das fing gerade erst an. „Hochfrequenzniederspannungsvorschaltgerät“ – Paul wusste immer noch nicht, was das ist, aber er wusste, dass er so ein Teil unbedingt mal sehen musste, denn dieses Gerät war daran schuld, dass seine nähere Zukunft jetzt schon gesichert war.