Es ist schon wieder Montag und so langsam wird es nervig, wenn ich mir die Pandemie-Politik ansehe. Wahrscheinlich muss ich mich mit nächtlichen Ausgangssperren abfinden, weil die Bundesregierung diese unbedingt will, obwohl auch schon mehrere Gerichte die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme angezweifelt haben. Und ja, ich könnte mich jetzt hinstellen – so wie es derzeit viele tun – und sagen, dass mich die Ausgangssperre nicht wirklich betrifft, weil ich zu dieser Uhrzeit meist eh zu Hause bin und ich dann auch nicht das verlangen habe, die Wohnung noch einmal zu verlassen. Aber das ist mir zu einfach, denn ich muss eine sinnlose Maßnahme nicht dadurch legitimieren, dass sie mich kaum tangiert!
Wobei es halt auch nicht so ist, dass mich eine Ausgangssperre überhaupt nicht einschränken würde. Ich gehe derzeit zum Beispiel lieber nach 21 Uhr einkaufen, weil dann die Kaufhallen nicht wirklich voll sind und ich dann selbst tatsächlich durch mein eigenes Handeln dafür sorgen kann, dass der Abstand zu den anderen Menschen stimmt. Und ich bin da garantiert nicht allein, es gibt einige Menschen, die die Zeit nach 21 Uhr für solche Tätigkeiten nutzen, weil es entspannter ist, weil der Schutz vor einer Ansteckung hier mehr gegeben ist, als vor 21 durch volle Kaufhallen zu schleichen oder davor in einer Schlange zu stehen. Eine nächtliche Ausgangssperre würde mir diesen Luxus nehmen, würde vielen anderen diesen Luxus nehmen und – meiner Meinung nach viel schlimmer – es führt dazu, dass die Kaufhallen in der Zeit davor noch viel voller werden. Irgendwann müssen die Menschen ihre Einkäufe ja erledigen und viele werden dann jetzt dazu gezwungen sein, dies direkt nach der Arbeit zu machen. Dann werden sich die Menschen zwischen 18 und 21 Uhr in den Kaufhallen drängen und die Infektionsgefahr wird steigen.
Auch gibt es Menschen – ich habe das hier im Blog schon ein paar mal erzählt – die jetzt lieber die Zeit in der Nacht nutzen, um sich an der frischen Luft zu bewegen. Gerade in einer Großstadt wie Berlin ist es leichter, in der Nacht Abstände einzuhalten und Kontakte zu vermeiden. Auch diese Möglichkeit wird genommen, damit auch das Gefühl, sich sicher draußen bewegen zu können, ohne das Risiko einer Ansteckung stark zu erhöhen. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass da wieder Menschen getroffen werden, deren Lebensqualität schon vor der Pandemie stark eingeschränkt war, weil wir als Gesellschaft diese Gruppen nicht ernst nahmen und die jetzt halt auf noch mehr Lebensqualität verzichten müssen, weil wir diese Menschen als Gesellschaft nicht wahrnehmen und sie auch während und nach der Pandemie nicht ernst nehmen.
Klar, wer das nicht sieht, wer nach 21 Uhr eh immer vor dem Fernseher sitzt, gemütlich ein Buch liest oder andere Dinge in der Wohnung macht, den tangiert das nicht, der sieht eine nächtliche Ausgangssperre gelassen, fühlt sich nicht wirklich eingeschränkt. Der glaubt wahrscheinlich auch die Erzählung, dass da Nachts tausende von Menschen draußen Party machen und nur deswegen die Infektionszahlen steigen. Meiner Meinung nach eine Ausrede der Politik, die nicht wahrhaben möchte, dass sie zur Infektionsbekämpfung auch die Wirtschaft stutzen muss! Also nicht nur die Kulturbetriebe, bei denen sie Denken, dass die total unwichtig sind und deren Insolvenz halt in Kauf genommen wird. Eine Ausrede auch, um nicht zugeben zu müssen, dass die Schulöffnungen nicht schlau waren und natürlich auch ein Mittel, um noch einmal Stärke zu zeigen, um zu zeigen, wie autoritär der Staat immer noch handeln kann und wie wenig er dabei auf demokratische Mitwirkungsprozesse der Bevölkerung setzen muss – dann wäre es nämlich kein autoritäres Handeln mehr.
Ich frage mich übrigens auch, wie die Polizei eine nächtliche Ausgangssperre kontrollieren und durchsetzen möchte, wenn sie schon dabei versagt, Kontaktbeschränkungen und Betretungsverbote durchzusetzen, aber okay, wahrscheinlich ist es einfacher, weil erst einmal jeder, der sich nach 21 Uhr nicht in seiner Wohnung befindet, verdächtig ist. Ich will gar nicht wissen, wie viele rassistische Polizeikontrollen dadurch dann wieder gerechtfertigt werden!
Wenn das Verlassen der Wohnung in der Nacht so gefährlich ist …
Wenn das Verlassen der Wohnung schon in der Nacht so gefährlich ist, wenn es wirklich ein Pandemietreiber ist, wenn Menschen in der Nacht durch die Gegen spazieren, warum ist es dann am Tag erlaubt? Versteckt sich der Virus vor Tageslicht? Wenn wir Ausgangssperren als Mittel sehen, um die dritte Welle zu brechen, dann muss diese 24 Stunden gelten und nicht nur in der Nacht. Dazu würde dann aber auch gehören, dass es wirklich nur für die Menschen ausnahmen von dieser Ausgangssperre gibt, die einer Tätigkeit nachgehen, die auch in Pandemiezeiten wichtig sind! Alles andere wäre dann maximal noch im Home-Office erlaubt. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Menschen dann in eine Sinnkrise geraten, weil sie erkennen müssen, dass ihr hoch dotierter Posten so absolut unwichtig ist, aber okay, das wäre jetzt wieder ein anderes Thema. Und die Vorstellung, dass da viele Singles dann 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, alleine in ihrer Wohnung sitzen, lässt mich auch schon wieder erstarren, denn ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie sich diese Einsamkeit auf diese Menschen auswirkt. Einsamkeit ist übrigens auch so ein Punkt, der in der Pandemie nicht ernst genommen, der sogar gerne übersehen wird!
Aber okay, wir haben eine Pandemie und es sind derzeit viele Ängste im Spiel. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass über Maßnahmen nicht wirklich diskutiert wird, dass sie entweder komplett abgelehnt oder überschwänglich gefeiert werden.