Deutschland trauert! Politiker fordern Live-Sendungen von den Öffentlich-Rechtlichen, andere Vergleichen den Vorfall mit dem Einschlag eines Meteoriten auf der Erde und meinen auch, dass dafür unbedingt das Programm unterbrochen werden muss. Es geht dabei nicht um Menschen, die durch Gewalt, Hunger oder auf der Flucht sterben, es geht dabei um ein altes Gebäude, welches dem Feuer zu Opfer fällt.
Ich kann durchaus verstehen, dass sich da durchaus ein Gefühl des Verlustes einstellt. Und da es ein Kulturerbe ist, stellt sich dieses Gefühl nicht nur bei den Bewohnern und/oder Besitzern ein, sondern bei vielen Menschen auf dieser Erde. Wenn ein Wohnhaus niederbrennt, dann ist das für die Bewohner mit Sicherheit auch ein halber Weltuntergang, weil viele Erinnerungen für immer vernichtet werden, aber solange niemand dabei getötet wird, solange ist der materielle Verlust immer wieder ersetzbar. Deswegen würde ich auch nicht von Trauer reden, wenn ein Gebäude niederbrennt. Von Trauer rede ich, wenn ein Mensch oder ein Tier dabei stirbt, denn ein Leben kann nicht einfach wieder aufgebaut werden, ein Leben ist unwiederbringlich vorbei!
Wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, dann nehmen wir diese Randnotiz einfach hin, einige zucken kurz mit der Schulter, sind dem Schicksal dieser Menschen gegenüber gleichgültig. Keiner fordert, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm unterbrechen und Live-Sendungen vom Mittelmeer bringen. Es fordert auch keiner Live-Sendungen aus Kriegsgebieten, keiner will Live sehen, wie dort Menschen durch Waffen sterben, die in Deutschland beziehungsweise in der EU gefertigt wurden. Aber wenn ein Gebäude niederbrennt, dann gibt es tatsächlich Menschen, die einen solchen Livestream fordern. Doch was bringt solch ein Livestream? Wem hilft er? Niemanden! Es ist auch nur eine Form des Gaffertums! Bei Unfällen kann dieses Gaffertum inzwischen bestraft werden und das auch vollkommen zu Recht, aber in einen solchen Fall fordern sogar Politiker, dass die Bedürfnisse der Schaulustigen befriedigt werden. Einfach nur krank und dabei zuzusehen, wie ein Gebäude niederbrennt, bringt nicht einmal irgendjemanden was.
Wie wäre es denn mit Livestreams von historischen Gebäuden, die dem Bagger zum Opfer fallen? Livestreams aus Kohleabbaugebieten, von Waldrodungen oder von Wohnhäusern, die für Verkehrsinfrastruktur weichen müssen? Fordert auch keiner, aber wenn in Frankreich ein altes Gebäude brennt, dann ist die Betroffenheit riesig, dann ist der Schmerz, der dadurch entsteht, schon fast greifbar. Und dann sitze ich da und überlege mir, welche Prioritäten diese Gesellschaft hat. Eine Gesellschaft, die das Sterben auf dem Mittelmeer zum Großteil mit einem Schulterzucken bedenkt, der die Empathie für arme Menschen fehlt, die sich einreden, dass die Produktion von Waffen wertneutral sein könnte, weil ja nicht die Waffen töten, sondern die Menschen, die diese Waffe benutzen.
Klar ist es schade, wenn ein solches Stück Kultur verloren geht, aber deswegen fast in Staatstrauer zu versinken, halte ich dann doch für sehr übertrieben. Mir fehlt da dann vielleicht die Empathie für ein solch altes Gebäude, aber diese Empathie spare ich mir lieber für Menschen auf. Ich trauere um Lebewesen, die sinnlos ihr Leben lassen müssen, aber nicht um Gebäude. Gebäude können wieder aufgebaut werden, sind nicht für immer verloren, ein Leben hingegen schon, ist unwiederbringlich, ist weg, kann nicht mehr gelebt werden.