Nachdenkend gehe ich durch die nächtliche Stadt. Überall sind Lichter, welche die Nacht, die Läden und die Marktbuden erhellen. Auf dem Weihnachtsmarkt hört man glückliche Kinder, die sich in Fahrgeschäften vergnügen. Weihnachtsmusik verfolgt mich, bohrt sich tief in meine Gedanken. Es geht um die Weihnachtsbäckerei, um den Schnee, um Liebe und Zuneigung und um den Zusammenhalt der Familie – Nächstenliebe wird auf einmal großgeschrieben.
Langsam gehe ich von Bude zu Bude. Vor einem Stand mit kandierten Obst entdecke ich ein Kind, dass die kandierten Äpfel mit großen Augen ansieht. Die Mutter steht daneben, sieht, wo der Blick des Kindes hinfällt und dann kann ich Traurigkeit in ihrem Gesicht erkennen. Sie kniet sich zu ihrem Kind hinunter, flüstert ihm was ins Ohr und auch in seinem Gesicht flackert kurz Traurigkeit auf. Beide gehen sie weiter, aber schon kurze Zeit später kann man wieder Fröhlichkeit im Gesicht des Kindes erkennen, das Gesicht der Mutter hingegen bleibt von Traurigkeit erfüllt.
Auch ich gehe weiter, bleibe mit meinen Gedanken aber bei der Mutter mit ihrem Kind. Wahrscheinlich wird sie es schwer haben, dem Kind ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Wahrscheinlich wird es was Kleines sein und wahrscheinlich wird das Kind kurz traurig sein, sich dann aber über das Geschenk freuen. Und dann Frage ich mich, ob das Weihnachten ist?
Kurze Zeit später komme ich an einem Kaufhaus vorbei. Hier streitet sich eine Jugendliche mit ihren Eltern. Es geht wohl um das Geschenk, welches die Eltern hier im Kaufhaus erwerben möchten. Es geht darum, dass das Geschenk wohl noch nicht teuer genug ist und das die Jugendliche wohl etwas will, was noch einmal doppelt so teuer ist.
Und dann muss ich daran denken, dass ich in meiner Jugendzeit nicht einmal wusste, was ich unterm Baum finden würde. Es blieb ein großes Geheimnis bis zur Bescherung und das war es, was den Reiz von Weihnachten ausgemacht hat. Sicher war ich auch vorher schon neugierig, habe versucht herauszufinden, welche Geschenke denn unterm Weihnachtsbaum auf mich warteten, aber erfahren haben ich es immer erst unterm Weihnachtsbaum. Es war nicht immer das, was ich mir gewünscht hatte, aber es war immer schön und ich war nach der Bescherung immer glücklich über das Geschenk.
Inzwischen waren die Eltern des Mädels verschwunden und das Mädel selbst telefonierte mit ihrem Handy. Jetzt hörte sie sich wieder glücklich an, obwohl sie eben noch sagte, dass sie nie mehr glücklich sein würde, wenn sie nicht das teurere Geschenk bekommt. Wahrscheinlich wird sie ihren Willen bekommen haben und unterm Weihnachtsbaum wird das liegen, was sie sich schon immer gewünscht hat.
Spontan zähle ich mein letztes Kleingeld – mein letztes Geld. Es sind noch fünf Euro. Ich steuere auf den Stand zu, vor dem das Kind stand, und kaufe einen leuchtend roten kandierten Apfel. Ich lasse ihn einpacken und schlendere weiter über den Markt in dieser nächtlichen Stadt. Am Ende der Straße entdecke ich das Kind mit seiner Mutter, ich laufe zu ihm, spreche kurz mit der Mutter und gebe dem Kind den leuchtenden Apfel. Ich sehe die großen leuchtenden Augen des Kindes und sage mir, das ist Weihnachten.
Langsam wird es ruhig in der nächtlichen Stadt. Einige Marktbuden werden bereits geschlossen und die Lichter gehen aus. Einige werden natürlich die ganze Nacht über brennen, wodurch die Stadt nicht ganz von der Dunkelheit umhüllt wird.
Auch ich gehe weg vom Markt, ich bin noch auf der Suche. Durch die Löcher in meinen Schuhen strömt die Kälte immer deutlicher hinein, wodurch meine Füße schmerzen. Es wird Zeit, einen Unterschlupf für die Nacht zu finden, auch wenn der die Kälte nicht vertreiben wird.
30 Minuten später stehe ich vor einem alten Schuppen. Die Tür ist zwar abgesperrt, aber durch ein nicht verriegeltes Fenster komme ich dennoch hinein. Ich nehme meinen Schlafsack, breite ihn in einer Ecke aus, wo gerade noch soviel Platz ist, damit mein Schlafsack und ich dort hineinpassen, und lege mich hin. Ich gehe davon aus, dass der Besitzer in der Nacht nicht mehr in den Schuppen kommen wird und somit wird er gar nicht bemerken, dass ich hier war.
Ich schlafe ein, doch schon kurze Zeit später werde ich von einem Geräusch geweckt. So schnell, wie ich nur kann, stehe ich auf und packe meine Sachen. Vor mir steht ein älterer Mann. Er lächelt mich sanft an und sagt, dass ich keine Angst haben muss. Er ist der Besitzer des Schuppens und er sagt, dass ich ruhig die Nacht im Schuppen verbringen dürfe. Er habe eben nur etwas abgestellt und mich in der Ecke liegen sehen. Deswegen wollte er einen Heizlüfter aus dem Schrank holen, wobei er dieses Geräusch gemacht hätte.
Ich legte meinen Schlafsack wieder hin und er stellte den Heizlüfter in meine Nähe. Dann steckte er den Stecker in die Steckdose und schaltete den Heizlüfter ein. Sofort umgab mich eine wohlige Wärme, die die Kälte erst aus meinen Kleidern und dann aus meinem Körper vertreibt.
Während ich die Wärme genieße, sagt mir der ältere Mann, dass ich am nächsten Morgen doch noch auf ein Frühstück vorbeikommen soll. Dann verabschiedet er sich von mir und ich bedanke mich noch schnell bei ihm. Während er durch die Tür geht, sagt er noch, dass das doch der Sinn von Weihnachten ist. An diesen Tag sollte man doch Wärme und Vertrauen verschenken.
Hut ab vor der wunderschönen Geschichte. Selbst geschrieben? Das mit dem Apfel hätte ich genauso gemacht! 🙂
Ich wünsche allen hier drin ein warmes Weihnachtsfest, das Fest der Liebe!
Salve, werter Diabolischer!
Welch mephistophelische Kräfte mögen gar ind be/ruh/ig/en Deine Sinne?
Anmutig romantisch, lesenswert und zugleich
spannend geschrieben!
Nur betrübt´s mein wehes Herze sehr,
dass das Raumschiff Lyrik scheinbar in den
kosmolythischen Nexus entfleucht ist…
So hat er wohl weislich die „ars bene
dicendi“ in eine „ars bene scripendi“
transformiert…und dieses Talent kann nicht nur
von einem „kreativen-Schreib-Workshop“ in
erwähnter Kurzform herrühren, sondern muss
(neben der Lektüre v. Lausberg & Plett) irgendwas
mit DNA korreliert sein…
Und hegt er ggf. Pläne bzgl. eines
Germanistik-Studiums? Sollte „ihm“ – respect.
Dir das zu „weibisch“ sein, so laß´ Dich von den innovativionsfreudigen Studiengängen an der RWTH Aachen, die intersiziplinär Computerwissenschaften mit der modernen Linguistik konnektieren…
Aber laß´ mal lieber…
IF „Berl-Teuf“ GOTO RWTH THEN {var: „Berl-Teuf“ } REDUCE
{{my CLIENT list for GOTO sum = 0}}
Aber zuvor frage ich liebe nach „Sharen“§ der
`CLIENT list`… 😉
In diesem fragenden Sinne verbleibe ich mit
den Qualen des Leids des Wartens auf RE: sowie
mit Greetz
Sabine
Wenn ich es nicht von einem anderen Beitrag her wüsste würde ich sagen Du studierst Literatur – sehr schöner Beitrag!
Wirklich schöne Geschichte. Etwas zum Nachdenken, in dieser „leider“ hektischen Zeit.
Lg
Schönes Söckchen Lieber Sven!
Lieben Bescheidenheit-ist-eine-tugend-die-die-Jugend-leider-nicht-merh-kennt-Gruß
Erdbeere
P.S. Ich wusste auch nie was unterm Baum lag und das ist/war auch gut so
@Sabine
Das „Raumschiff Lyrik“ hat keine wirkliche Resonanz bekommen. Deswegen sah ich auch keinen Sinn darin, noch weitere Folgen zu schreiben. Spaß hätte es sicher gemacht, aber wenn es keine liest, brauche ich es nicht weiter verfolgen 😉
Eine Sharing-Möglichkeit habe ich gerade eingebaut. Nur wahrscheinlich wird es nichts bringen, so wie es damals auch war ;-).
Studieren tue ich übrigens Wirtschaftsinformatik – Linguistik wäre sicher auch interessant, aber wenn dann wäre ich wohl eher in den Journalismus-Bereich gegangen 😉
Hallo Teufel,
ich habe erst gedacht, dass es sich um Dich handelt, Doch dann kam die Stelle mit den Schuhen und der kalten Luft.
Es ist schoen, wenn Menschen noch Hilfsbereit sind und anderen helfen. Ohne das sie etwas dafuer zurueckverlangen. Es ist selten geworden. Deine Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht und ich werde meinen Schrank wohl etwas frueher aussoertieren und die „fuer mich alten Sachen“ spenden. Hatte das erst im naechsten Jahr.
mfgcb
Schön! Auch wenn Weihnachten nicht für alle mit einem religiösen Inhalt zu füllen ist, darum es es an Weihnachten. Eine sehr hübsche Geschichte. Leider fällt es mir schwer, daran zu glauben, dass heute so etwas noch passiert. Oder jedenfalls viel zu selten.
[…] Und dann Frage ich mich, ob das Weihnachten ist? […]
Tja, was soll ich sagen…
Du hast es geschafft, ich starre gedankenverloren auf den Monitor und denke über diese Worte nach.
Wunderschön geschrieben.
Wirklich schöne Geschichte. Hat mich sehr gefreut das zu lessen und regt zum Nachdenken an. Wünsche allen schöne Feiertage.
Da der Blog-Adventskalender heute sein letztes Türchen geöffnet hat, möchte ich noch mal die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen zu bedanken.
Danke für die tollen Beiträge und die vielen Kommentare.
Frohe Weihnachten und schöne und besinnliche Tage!
Weihnachtliche Grüße
Carsten