Es ist Wochenende, schönes Wetter, keine Pandemie, ein Stadionbesuch mit einem Freund, das Fußballspiel läuft bereits und im Hintergrund lässt ein besoffener Kerl seinem Frauenhass freien Lauf, indem er die Schiedsrichterin sexistisch beleidigt. Ein leider immer noch normales Bild in den Fußballstadien, welches in den letzten Jahren häufiger mein Stadionerlebnis ruiniert hat! Frauenhass, Rassismus, Abwertungen, all das hat im Stadion seinen Platz und weil dem so ist, ist Sport – in unserem Fall Fußball – auf jeden Fall politisch!
Wie sollte ein Ort, an dem sich regelmäßig hunderte, gar tausende von Menschen treffen, auch unpolitisch sein? All die Gespräche vor, während und nach dem Spiel sind auch von politischen Ansichten geprägt. Da werden alte Rollenbilder vermittelt, wird über die Arbeit gesprochen, über das Ausbeutungsverhältnis und wie schlecht sich der Stadienbesuchende doch behandelt fühlt. Auch das Klima wird im Stadion zum Thema, so wie viele andere politische Themen eben auch. Und so ist so ein Stadion ein Ort, an dem Diskutiert wird, an dem Meinungen ausgetauscht werden, was alles auch zum eigenen politischen Meinungsbild beiträgt. Ich gehe davon aus, dass das auch bei anderen Sportarten der Fall ist und da der Sport hier die Ursache für das Aufeinandertreffen all dieser Menschen ist, ist der Spruch, dass der Sport unpolitisch ist und dies auch bleiben soll, absolut lächerlich!
Menschen, die das Stadion und den Sport, der darin stattfindet, als unpolitisch definieren wollen, haben meist nur die Angst, dass ihnen hier Räume verloren gehen könnten, in denen sie ihr eigenes politisches Gedankengut verbreiten können. Denn auch das ist in Stadion möglich, denn natürlich gibt es hier auch Menschen, die noch keine starke politische Meinung entwickelt haben, die noch beeinflussbar sind und somit auch offen für Weltbilder und Rollenbilder von gestern und vorgestern. Diese Räume gehen verloren, wenn Vereine plötzlich politische Werte in den Vordergrund stellen. Wenn sie also plötzlich gegen Homophobie aufstehen, verlieren Menschen mit homophoben Ansichten ihren Agitationsplatz im Stadion, weil die Werte des Vereins natürlich auch von den Fans als deren Werte aufgegriffen werden. Nicht von allen natürlich, aber von einem Großteil und so wird auch der Widerspruch größer, den bestimmte Positionen im Stadion erfahren und zusammen mit dem größer werdenden Widerspruch schrumpft der Agitationsraum für zum Beispiel homophobe Positionen.
Im Idealfall werden dann Werte wie Weltoffenheit, Toleranz – noch viel wichtiger „Akzeptanz“ – gegenüber anderen Lebensentwürfen und viele andere zu Universalwerten im Sport. Und wenn sie das im Sport sind, dann sind sie es auch irgendwann in der Gesellschaft und genau hier liegt die Gefahr für Konservative und all die anderen, die meinen, dass der Sport ein unpolitischer Raum wäre. Ihre Meinungen, ihr Fremdenhass, ihre Homophobie, ihr Frauenhass und all die konservativen Rollenbilder könnten plötzlich aus dem gesellschaftlichen Raum „Sport“ verschwinden und damit an Verbreitung und Akzeptanz in der Gesellschaft verlieren.
Eine Utopie, von der wir noch weit entfernt sind. Noch immer werden Menschen rassistisch, sexistisch und homophob in Sportstadien beleidigt. Noch immer werden alte Rollenbilder transportiert, wird Frauenhass gelebt, aber es Entwickeln sich Werte, die eine Veränderung angestoßen haben und das ist nur möglich, weil Sportstadien eben doch ein zutiefst politischer Raum sind, in dem Gesellschaftsteile aufeinandertreffen, die sich sonst nie getroffen hätten und somit auch nie die Chance gehabt hätten, ihre politischen Ansichten miteinander auszutauschen.
Und natürlich geht es auch ums Geld, wenn bestimmte Menschen den Sport als unpolitisch Brandmarken wollen. Das ist aber ein anderer Aspekt, ein anderer Artikel, der vielleicht schon geschrieben ist oder noch geschrieben werden muss, um den es hier im Artikel aber nicht geht.