Hallo Leben,

ich schreibe dir diesen Brief, weil du auch mal einen erhalten solltest. Ich weiß zwar nicht, ob man
sich bedanken sollte, dass du in uns bist oder ob man sich eher beschweren sollte. Auf jeden Fall gibt es dich und durch dich gibt es mich.
Irgendwann steigt alles, was lebt, in diesen Zug ein, in deinen Zug, der aber immer nur in eine Richtung fährt, ein zurück gibt es nicht. Eigentlich bist du ja egoistisch, Leben, denn du fährst nur dort lang, wo du lang fahren willst, und du hältst nur dort an, wo du anhalten möchtest.
Tja Leben, manchmal überlegt man sich die Notbremse zu ziehen und einfach aus zusteigen, aber selbst da machst du nicht mit, denn egal wo man aussteigt, man ist immer am Ziel, dort wo der Zug eh hin wollte. Das ist echt gemein von dir, warum lässt du den Zug dann eigentlich so lange fahren?

Früher muss der Zug schneller gefahren sein, denn früher sind die Menschen nicht so alt geworden wie heute, aber früher hattest du wohl auch noch nicht so eine Last mit dir zu tragen. Oder bist du einfach nur aus dem Takt gekommen? Durch die vielen Aufenthalte, die du einlegen musstest, um die ganzen Leute aussteigen zu lassen, die den Zug verlassen mussten, weil andere nicht wollten, das sie weiter in diesen Zug mitfahren sollten.

Tja, auch jetzt hältst du ziemlich oft noch zwischen durch an, weil Menschen, welche eigentlich eine ganz andere Endstation hatten, jetzt schon aussteigen, ja du hast recht, Menschen sind heutzutage sehr flexibel geworden. Manche steigen freiwillig aus, andere müssen aussteigen, weil sie dazu genötigt werden. Und du? Du schaust dir das einfach so an! Ist dein Zug denn schon so überfüllt, dass du Menschen los werden musst? Oder hast du einfach gar nicht mehr die Macht etwas dagegen zu tun? Hat der Mensch etwa kein Respekt mehr vor dir und du musst dich verstecken, dass sie dich nicht irgendwann mal in einen Käfig sperren? Tja Leben, ich glaube da bist du manchmal selbst dran schuld, hast du den Menschen doch soviel Platz gelassen um sich zu entwickeln.

Hey Leben, warum fährt dein Zug eigentlich durch so viele hässliche Gegenden? Warum sieht man in letzter Zeit so viel Kummer und Leid? Musst du gerade auf einem Nebengleis fahren, weil das Hauptgleis kaputt ist und repariert werden muss? Wann biegen wir denn dann wieder auf das Hauptgleis ab?

Naja Leben, ich weiß das Du versuchst es jedem Recht zu machen, aber darunter leiden leider auch sehr viele, doch was könntest du schon anders machen? Lass sie doch einfach das machen was sie wollen, oder meinst du, dass es dann alles aus dem Ruder läuft? Vielleicht hast du recht und es muss einfach so sein. Deswegen bin ich doch zum Entschluss gekommen mich zu bedanken, schließlich sitze ich hier wohl in der 1. Klasse in deinen Zug. Mir geht es eigentlich gut, natürlich sind auch wir durch dunkle Tunnel gefahren und auch ich habe Orte gesehen, die mir nicht gefallen haben. Aber im Großen und Ganzen geht es mir gut, nicht so wie den Leuten in der zweiten oder dritten Klasse. Naja, wo sollten die Leute auch hin, ist doch in der 1.Klasse deines Zuges gar nicht so viel Platz.

Leben, vielleicht schickst du mir ja mal ein paar Antworten, von mir bekommst du auf jeden Fall noch mehr Briefe. Habe ich dir doch noch so vieles zu schreiben, was in diesen ersten Brief gar nicht rein passt.

So das soll es auch erst mal gewesen sein, ich freue mich auf eine schnelle Antwort von dir

Liebe Grüße,

Sven

Bereits 2004 in meinem Forum veröffentlicht.

3 Gedanken zu „Brief an das Leben – Teil 1

  1. Wunderschöner Text, ich mag es wenn du dem Leben eine Quasi-Persönlichkeit gibst, und auch das Zug-Metapher finde ich genial! Gutgemacht, und ich freue mich dass ich es lesen könnte;)

  2. Hallo Sven,

    mir hat der Text auch sehr gefallen … und vor allem hat er mich zum Nachdenken angeregt. Eine schöne Symbolik – eine Zugfahrt -, die Du Dir hier ausgesucht hast … Danke dafür.

    Herzliche Grüße,
    Coralita

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir bieten Ihnen an, auf unseren Internetseiten Fragen, Antworten, Meinungen oder Bewertungen, nachfolgend nur „Beiträge genannt, zu veröffentlichen. Sofern Sie dieses Angebot in Anspruch nehmen, verarbeiten und veröffentlichen wir Ihren Beitrag, Datum und Uhrzeit der Einreichung sowie das von Ihnen ggf. genutzte Pseudonym.

Rechtsgrundlage hierbei ist Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Die Einwilligung können Sie gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Hierzu müssen Sie uns lediglich über Ihren Widerruf in Kenntnis setzen.

Darüber hinaus verarbeiten wir auch Ihre IP- und E-Mail-Adresse. Die IP-Adresse wird verarbeitet, weil wir ein berechtigtes Interesse daran haben, weitere Schritte einzuleiten oder zu unterstützen, sofern Ihr Beitrag in Rechte Dritter eingreift und/oder er sonst wie rechtswidrig erfolgt.

Rechtsgrundlage ist in diesem Fall Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Unser berechtigtes Interesse liegt in der ggf. notwendigen Rechtsverteidigung.

Auszug aus unserer Datenschutzerklärung.