Wenn ein Mensch sich entscheidet seinem Leben freiwillig ein Ende zu setzen, muss es schlimm in ihm ausgesehen haben. Nein, das ist nicht Feige, es gibt keine Vorwürfe, die irgendwer diesem Menschen machen kann. Es ist auch keine Wut vorhanden, es ist einfach nur Trauer.

Ich habe gehofft, niemals einen solchen Text schreiben zu müssen. Jetzt muss ich es, einfach um irgendwas zu tun. Ich muss es, weil die Gedanken, die mir seid dem Anruf durch den Kopf gehen, raus müssen. Ein Anruf, der das eigene Leben für immer verändert, es wird nie wieder so sein, wie es vor dem Anruf war. Schon deswegen nicht, weil ein Mensch aus meinem Leben verschwunden ist, einfach so, unerwartet.

Wäre es ein Unfall gewesen oder eine Krankheit, durch die dieser Mensch gestorben wäre, es wäre was anderes. Die Trauer wäre wahrscheinlich dieselbe, aber sie wäre dieselbe auf eine andere Art und Weise. Es war aber kein Unfall, es war ein Selbstmord – so sieht es zumindest derzeit aus. Und ein Selbstmord hinterlässt eine Leere, die andere Arten des Sterbens nicht hinterlassen. Auch die Frage, warum? Eine Frage, die wahrscheinlich nie wirklich beantwortet wird, die aber bleibt und die für Selbstvorwürfe sorgt und wahrscheinlich auch für Vorwürfe an andere.

Nein, ich möchte nicht über Vorwürfe schreiben. Du kannst niemanden Vorwürfe machen, auch dann nicht, wenn du dir die Frage nach dem warum stellst. Das wäre falsch, das würde andere Menschen verletzen und das würde auch die Frage danach aufwerfen, warum du selbst nicht geholfen hast, wenn du diese Probleme gesehen hast. Natürlich machst du dir Gedanken, aber es sind alles nur Spekulationen, es ist nichts greifbares, es ist eine Fragen, die sich vor die Leere stellt, die dich angrinst und die dir dann wieder den Blick auf diese Leere freigibt.

Diese Leere ist sofort da, und sofort ist auch diese Frage da. So war es zumindest bei mir, als ich heute den Anruf bekam, dass sich mein Neffe umgebracht hat.

Ich bin zusammen mit ihm aufgewachsen! Wir haben damals zusammen Dragenballs geschaut, er wusste immer besser Bescheid als ich. Ich habe ihn aus dem Kindergarten abgeholt, war bei seiner Einschulung dabei. Dann der Tag, an dem er von einem Auto angefahren wurde. Zuerst der Schock, dann schnell die Erleichterung, es war nur ein Beinbruch. Nur, denn es war nichts, woran er hätte sterben können. Ich habe ihn aufwachsen sehen und jetzt soll er plötzlich nicht mehr da sein, nur noch sein Körper.

Ich weiß noch, wie er mit einem Marmeladengesicht durch die Wohnung rannte und dabei lachte, wie er mit der Katze spielte – die Anfang des Jahres auch gestorben ist. Wie sie ihn an hüpfte und ihn fangen wollte. Sein lachen, seine Freude. Alles nicht mehr da!

Da war der Tag, an dem er in die Oberstufe kam. Ich sollte ihn damals hinbringen, ich habe ihn auch hingebracht, aber wir sind leider ein paar Minuten zu spät gekommen, weswegen es im Sekretariat gleich erst einmal gemecker gab. Aber er hat die Schule gemacht, hat sein Fachabitur gemacht und war auch im Studium verdammt gut. Ich war so stolz auf ihn und jetzt ist er einfach nicht mehr da!

Keiner wird mir sagen können warum. Warum er freiwillig gegangen ist.

Ja, der Kontakt war in letzter Zeit eher spärlich. Er hatte sein Handy kaum an, sodass er kaum telefonisch erreichbar war. Das letzte Mal habe ich ihn im Januar gesehen, er war bei uns, hat mit uns zusammen Silvester gefeiert. Hätte ich es da sehen können? Hätten wir da schon sehen MÜSSEN, dass er unglücklich ist? Das er mit seinem Leben nicht zufrieden ist?

Da sind sie wieder, diese Fragen. Es wird keine Antworten darauf geben. Was bleibt, ist die Trauer um einen wundervollen Menschen. Einen Menschen, der als Kind soviel Energie und Freude ausgestrahlt hat, von dem ich gedacht habe, dass er es weit im Leben bringt. Jetzt hat er einen anderen Weg eingeschlagen. Ein Weg, der ihn hoffentlich Glücklich macht, wenn es denn nach dem Leben tatsächlich noch etwas geben sollte. Ein Weg, der hier viele Menschen traurig zurück lässt. Sein Weg. Mach’s gut Eric. Solange wir Leben, solange werden wir dich nicht vergessen.

Ein Gedanke zu „Mach’s gut Eric …

  1. Ja, so etwas ist traurig, tragisch und nie verständlich. :-/
    Immer bleibt die Frage „Warum“ – neben vielen weiteren Fragen und teils auch Vorwürfen. Deshalb und vor allem wenn man auch deine nächsten zwei Artikel liest, wünsche ich dir Kraft in dieser schwierigen Zeit. Obwohl man weiß, dass jeder einmal gehen muss, ist es immer wieder schwer und traurig, wenn es dann wieder einen aus dem Freundes- oder Familienkreis trifft. Alles Gute dir und den Hinterbliebenen. In Gedanken bei Euch.

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