Zugschienen

Fahrscheinloser öffentlicher Nahverkehr, so etwas wie GEZ (ich weiß, die heißen nicht mehr so) nur eben für Bus, U-Bahn, Straßenbahn und S-Bahn. Jeder zahlt monatlich eine Abgabe und kann dann soviel fahren, wie er oder sie will, aber halt im Nahverkehr, also nicht von Berlin nach München oder so. Es gibt halt einen Punkt daran, der mich stört, der mich auch bei der GEZ (siehe oben) stört…

Zugschienen

Die Grundidee ist klasse. Jeder zahlt einen kleinen Betrag, der auch noch günstiger ist, als die heutigen Monatskarten, und kann dafür jederzeit in Bus und Bahn einsteigen, auch dann, wenn mal kein Geld vorhanden ist, um einen Fahrschein zu lösen – ist ja dann ohne Fahrschein. Ich persönlich glaube sogar, dass dadurch mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, was gleichzeitig bedeutet, dass die Stadt nicht mehr so verstopft wäre mit Autos. Ich träume ja davon, dass in der Stadt nur noch die Autos fahren, die unbedingt fahren müssen, also Busse zum Beispiel, oder Krankenwagen oder LKWs. Und wenn dann doch mal wer ein Auto braucht, dann könnte es zusätzlich zum ÖPNV auch noch Carsharing geben, aber wie gesagt, das ist mein Traum.

Der Punkt aber, der mich stört, ist, dass jeder die Abgabe zahlen muss. Das stört mich deswegen, weil das bei der GEZ (jaja) genauso ist. Es ist dabei egal, wie hoch das Einkommen ist und ob die Personen mit dem Geld, das sie zur Verfügung haben, überhaupt ihr Leben bestreiten können. Ich merke das Selbst immer wieder. Regelmäßig muss ich mich entscheiden, ob ich jetzt GEZ (sumsum) bezahle, oder ob ich lieber für den Rest des Monats noch was zu essen kaufe.

Ich weiß natürlich, dass es auch einen ermäßigten Satz beim fahrscheinlosen ÖPNV geben soll, was beim öffentlich rechtlichen Fernsehen nicht der Fall ist, aber wer schon einmal von Hartz4 gelebt hat, oder von einem Einkommen aus dem Niedriglohnsektor, der weiß, dass da jeder Cent zählt. Da ist meist nicht mehr viel übrig, nachdem die großen Posten wie Miete und Strom weg sind. Und dann bleibt tatsächlich am Ende wieder das Problem, dass sich die Menschen entscheiden müssen, ob sie jetzt die Gebühren bezahlen, die sie sowieso bezahlen müssen, weil sie staatlich verordnet sind, oder ob sie sich lieber doch noch zwei Leibe Brot holen und dazu noch etwas Wurst oder Aufstrich. Ich weiß, dass sich viele das gar nicht vorstellen können. Viele werden sich sagen, dass das Geld schon irgendwie da ist, aber die Wirklichkeit sieht tatsächlich anders aus.

Jetzt könnte noch das Argument kommen, dass diese Menschen ja jetzt auch zahlen müssen, wenn sie mit Bus oder Bahn fahren. Dazu kann ich aber nur sagen, viele zahlen einfach nicht. Entweder sie verzichten vollständig auf diese Art der Mobilität, oder sie fahren ohne Fahrschein.

Bliebe die Möglichkeit, diese Menschen beitragsfrei zu stellen. Daraus ergibt sich dann aber wieder die Frage, ob sich das ganze Modell dann überhaupt noch rechnet, weil es für die anderen dann wieder teurer wird, denn die Kosten müssen ja weiterhin gedeckt werden, dann allerdings von weniger Menschen.

4 Gedanken zu „Ich habe da ein Problem mit dem Fahrscheinlosen ÖPNV

  1. Dein Einwand scheint berechtigt zu sein, ähnlich wie bei GEZ ist deine Lage nicht durch einen Verzicht auf eine Abgabe für fahrscheinlosen ÖPNV zu lösen, sondern durch ein Einkommen für jeden, dass den eigenen Lebensunterhalt absichert, die Idee vom Bedingungslosen Grundeinkommen ist dir bestimmt bekannt.

    Meinerseits vertrete ich eher die Idee des Fahrscheinlosen ÖPNV, um Kontrollen und die damit verbundene Strafbarkeit des „Schwarzfahrens“ überflüssig zu machen. Das wäre bereits mit der Umstellung der Finanzierung von Fahrschein zur solidarischen Finanzierung durch Abgabe / Beitrag geschafft. Das ist zumindest für mich das Hauptziel, weil die Nutzung von Öffentlichen Verkehrsmitteln zumindest für mich etwas mit Daseinsfürsorge und Recht auf Mobilität zu tun hat. Das heißt auch, dass deine persönlichen Daten nicht mehr an private Inkasso-Unternehmen weitergereicht werden, eigentlich hätte sie in der Theorie noch nicht einmal BVG und SBahn. Einfach einsteigen und fahren und keinen Gedanken an Fahrpreis verschwenden und wieder Kunde sein und nicht potentiell Verdächtige oder Täterin.

    Ein weiterer Aspekt ist, dass man diskriminierungsfrei fahren kann und nicht durch die Art des Fahrausweises Rückschlüsse auf die eigene Lage und Situation möglich sind. Darüber hinaus entfallen die Nachweise, die man neben der Fahrkarte je nach Ermäßigung noch mit sich führen muss. Auch das wäre eine Entlastung.

    Wie das mit der Kontrolle des Beitrages geregelt wird, ist noch ziemlich offen, da man nicht verhindern kann, dass z.B. Gäste (Wohnort außerhalb Berlin) auf Verwandten- und Freundschaftsbesuch mit den ÖPNV fahren, ohne dass sie einen Beitrag zahlen. Es gibt zwar Gedanken, eine Teilfinanzierung über Veranstaltungstickets zu gestalten bzw. über City-Tax, aber wenn wer privat unterkommt, fällt durchs Raster. Gleiches gilt für Tagestouristen, die Sehenswürdigkeiten fernbleiben. Im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz dürfte die Verfolgung von Nicht-Zahlern bedeutet weniger restriktiv erfolgen, als bei der GEZ. Aber da ich kein Jurist bin, kann ich dir hier auch keine Lösung präsentieren.

    Der Grundsatz „alle zahlen“ stimmt auch nicht so ganz, schon jetzt sind Gruppen von der Zahlung der „Fahrkartengebühr“ ausgenommen und eigentlich sollten zumindest Kinder- und Jugendliche unter 18 Jahren von der Gebühr nach meiner Vorstellung beim fahrscheinlosen ÖPNV befreit werden. Das hilft Familien und Alleinerziehenden, ob nun mit höheren, mittlerem oder mit geringem Einkommen, Alleinlebenden mit geringem Einkommen nicht – stimmt. Hier ist tatsächlich zumindest eine Ermäßigung angedacht, wobei davon ausgegangen wird, dass der Monatsbeitrag höchstens dem ÖPNV-Beitrag bei den Ersatzleistungen entspricht. Die Linken sprechen hier von 18 Euro, aber da bin ich erst einmal vorsichtig. Es ärgert mich, dass durch bestimmte Akteure jetzt fixe Fahrpreise in die Diskussion geworfen werden, die bisher noch nicht belegt sind. Eine Preisdiskussion halte ich derzeit noch für fehl am Platz, da es erst noch Randbedingungen zu erörtern gibt. Ja, es muss günstiger werden als derzeit und merkbar, sonst gibt es wieder das Problem mit der Akzeptanz.

    Dennoch sollte man den Fahrscheinlosen ÖPNV nicht so isoliert sehen, da eine Einführung ohne begleitende Maßnahmen für Radfahrende und Zufußgehende nicht umsetzbar ist, schließlich soll jeder etwas von der Beitragszahlung haben. Darüber hinaus muss auch der ÖPNV selbst attraktiver werden, um mehr Menschen in unserer Stadt das Recht auf Mobilität zu gewährleisten, das fängt mit der Verstärkung von Taktzeiten an und hört nicht bei neuen Linien für U- und S-Bahn auf (letztere sind eher langfristig angedacht). Die Verwertung ist Beitrages für den ÖPNV muss untrennbar mit Investitionen in die gesamte Verkehrsstruktur, vorzugsweise mehr Raum für Radfahrende und Zufußgehende verbunden werden, ich denke motorisierte KfZ haben bereits genügend Platz und können eher ein Teil abgeben.

    Berlin steht ohnehin davor, mehr in den ÖPNV und in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren, hier ist in den letzten Jahrzehnten zu wenig passiert. Wenn allein die BVG 2014 gegenüber 2013 30 Mio Fahrgäste mehr befördert hat und nicht nur die Politik von einer wachsenden Stadt spricht, müssen hier auch die Investitionen erhöht werden und das eher unabhängig davon, ob es in Berlin das Modell vom fahrscheinlosen ÖPNV geben wird oder es doch nur eine Preissenkung wird, wie die Grünen es mit ihrer Idee vorhaben, lediglich außerhalb der Rushhour fahrscheinlosen ÖPNV anzubieten. Eine Preissenkung ist mir zu wenig, viel, viel, viel zu wenig.

    Ein fahrscheinloser ÖPNV kann nur funktionieren, wenn es so wenig wie möglich Ausnahmeregelungen gib, bei gleichzeitiger solidarischer Finanzierung. Dabei sollte man Bürokratismus und Datensammlungen etc. weitestgehend vermeiden.

    Es gibt auch immer wieder die Idee, den ÖPNV einfach vollständig durch die Steuer zu finanzieren (bisher in Berlin 50 % ohne Subventionen und Investitionen), nur bei der Steuer kann man die Verwendung der Mittel nicht für die Zukunft garantieren, bei der Abgabe / Beitrag schon.

    Der Fahrscheinlose ÖPNV kann nicht dein zu geringes Einkommen ausgleichen, das muss an anderer Stelle in Angriff genommen werden.

  2. Das ist sicher ein wichtiger Punkt. Es gibt natürlich Möglichkeiten das Ganze einkommensabhängig zu machen, dann sind wir aber in der Regel im Bereich der Steuern und es wird kompliziert. Meine Idee ist es eine Nahverkehrsabgabe a) an den Haushalt zu koppeln, d.h. WGs/Familien zahlen pro Kopf weniger und b) die Arbeitgeber und Touristen ebenfalls heranzuziehen, sodass es für alle günstiger wird. Die Kopplung an den Haushalt über die Grundabgaben hätte (hoffentlich) noch den Vorteil, dass die Nahverkehrsabgabe über die Nebenkosten weitergereicht wird und damit zu den Kosten der Unterkunft gehört. Somit hätten Hartz-IV-Empfänger wirklich einen kostenlosen Nahverkehr und könnten die jämmerlichen 25 €, die für Mobilität vorgesehen sind, für andere Dinge oder längere Fahrten nutzen.

    • Hmmm… als Mietnebenkosten. Das könnte dann aber wieder dazu führen, dass Niedriglohnempfänger, die kein Hartz4 erhalten, aus ihren Wohnungen verdrängt werden, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können. Da müsste es dann schon eine Sicherung geben, dass das kein Verdrängungsgrund wird.

  3. Die Verdrängung beträfe – abhängig von der Summe – nur jene, die vorher den ÖPNV nicht im Abo nutzen. Wer diesen nutzt, wird sparen. Ja, bei den anderen ist das ein Risiko. Aber die externen Kosten des Autoverkehrs tragen sich ja z.B. in Krankenkassenbeiträgen und Steuern nieder. Wenn die Verkehrswende gelingt, dürften an anderer Stelle Kosten sinken, aber natürlich nicht sofort.

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